From 23f0e1561767dd8a396188e317bae5920d171ea8 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: erdgeist Date: Sun, 16 Aug 2015 16:38:25 +0200 Subject: Initial import of my nikola website --- blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md | 37 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 37 insertions(+) create mode 100644 blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md (limited to 'blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md') diff --git a/blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md b/blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md new file mode 100644 index 0000000..49decc6 --- /dev/null +++ b/blog/2005/Haben_wir_doch_schon.md @@ -0,0 +1,37 @@ + + +Ich hatte heute auf dem [Projekt-P](http://www.projekt-p.de/) die Freude, einer [Diskussion ueber Filesharing](https://berlin05.ccc.de/fahrplan/event/372.en.html) beizuwohnen. Ich habe mich wirklich aufgeregt. [Frank wohl auch.](http://frank.geekheim.de/?p=62) Nerds projezieren ihre tumbe Welt- und naive Gerechtigkeitssicht auf die Musikindustrie "jeder wuerde +doch natuerlich freiwillig bei Konsum eines Kunstwerks dem Kuenstler Geld zukommen lassen, das Problem ist nur, dass es nicht geht". Die freiwillige Mitarbeit an +freier Software wird zur Verpflichtung an alle ausgelegt, den selben Altruismus an den Tag zu legen. + +Dass die Schranke der Privatkopie eine Anerkennung der Tatsache ist, dass eh alle kopieren und man im Ausgleich auf Kopiermedien Gebuehren erhebt, wird immer +wieder unzutreffend in "das Gesetz gibt jedem das Recht, Kopien zu erstellen" umgedeutet. Wenn man halt nicht kopieren kann, weil der Hersteller das auf +technischem Wege verhindert, fuehrt das auch dazu, dass man kein Kopiermedium einsaut. Passt irgendwie schon. Man muss die CD ja nicht kaufen. + +Meines Erachtens geht es Kuenstlern zur Zeit so gut, wie nie in der Geschichte zuvor. Brotlose Kunst bedeutete ueber Jahrhunderte genau das: man ist im Zweifel +verhungert. Heute sind Musiker auf der einen (zugegeben zahlenmaessig verschwindend geringen, aufmerksamkeitsoekonomisch aber sehr viel Raum einnehmenden) Seite +Weltstars mit unverschaemten Einkommen. + +Wenn die das in der Marktwirtschaft so hinbekommen, ist das total legitim. Die verkaufen aber nicht ihre Songs. Die verkaufen ein mehr oder minder muehsam +konstruiertes Image, was unter anderem beim Musikverkaufen hilft. Wer andere Leute dazu bringt, ihm freiwillig rauhe Menge Kohle in den Rachen zu werfen, hat es +verdient. So funktioniert das mit der Werbung. Und wenn man keine Songs als Daten mehr verkaufen kann, aber trotzdem stinkend reich bleiben will, muss man sich +halt etwas anderes einfallen lassen. Die Gesellschaft kann nicht dazu da sein, den dekadenten Status quo zu erhalten. + +Auf der anderen Seite leistet sich unsere Gesellschaft laengst eine Kulturflatrate. Wir leisten uns, dass niemand verhungern muss, der kein Nuetzling in +marktwirtschaftlicher Sicht ist. Man kann gut und gerne 10 Jahre lang an seine Mal-, Gesangs-, Bildhauer-, oder sonstigen kulturellen Skills arbeiten, kostenlos +lernen bis der Arzt kommt (OT: was gerne uebersehen wird: man kann auch ohne Studiengebuehren an der Uni etwas lernen, man bekommt halt nur keinen Abschluss +dafuer) und wird trotzdem gefuettert. Wenn man im Kapitalismus nicht mitspielen moechte, hat man daher gerade die Moeglichkeit dazu, wenn man es jedoch will, +muss man halt die Spielregeln befolgen und etwas "Nuetzliches" tun. + +Ein Weg, mit dem Problem "Bezahlen von Musikern" umzugehen, koennte sein, dass man zum Dienstleistungsgedanken zurueckkehrt: solange es keine Neurorecordings +gibt, ist ein Livekonzert mit vielen gleichtickenden Leuten um einen herum um Groessenordnungen geiler, als der Konsum im Zimmerchen auf Anlage, allein. Songs +auf Platte oder im Netz koennten/sollten Werbung fuer die kostenpflichtige Teilnahme am Konzert sein. Oder Werbung fuer die Marke Kuenstler, der sich dann in +Waschmittelspots Schmerzensgeld fuer die Entwuerdigungen verdienen kann, oder anderen Leuten fuer Geld die Erlaubnis gibt, Flauschpueppchen oder Poster mit +seinem Conterfait zu verticken. + +Natuerlich funktioniert das fuer unansehnliche, ausgewiesene Studiomusiker nicht, die einzig ueber den Verkauf der Verwertungsrechte fuer die Stuecke an sich +angewiesen sind. Um aber auf die geschichtlichen Parallelen zurueckzukommen: dann muss man sich halt einen Maezen suchen, oder wie es Funny van Dannen so +treffend ausdrueckte: ["es muessen ja nicht alle gluecklich sein"](http://funny-van-dannen.de/lied/uruguay/08-ice.pdf). -- cgit v1.2.3