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1title: Hausdurchsuchungen bei Vereinsvorständen der „Zwiebelfreunde“ und im „OpenLab“ Augsburg
2date: 2018-07-04 08:12:30
3updated: 2018-07-04 08:12:30
4author: 46halbe
5tags: update, pressemitteilung
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7Die Wohnungen von Aktiven im Vorstand des Vereins Zwiebelfreunde sind in mehreren deutschen Städten mit einer höchst fragwürdigen Begründung „als Zeugen“ durchsucht und Computer und Datenträger beschlagnahmt worden. Auch der Augsburger Ableger des CCC im dortigen OpenLab musste eine Durchsuchung über sich ergehen lassen.
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9<!-- TEASER_END -->
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11Der Verein Zwiebelfreunde setzt sich seit sieben Jahren für technische
12Lösungen zur Anonymisierung ein und schult Menschen im Umgang mit
13Anonymisierungstechniken. Er betreibt unter
14[TorServers.net](https://torservers.net/ "Tor Servers Homepage") Relays
15der Anonymisierungssoftware Tor und hilft Betreibern technisch und
16juristisch. Daneben unterstützt der Verein andere Organisationen beim
17Sammeln von Spenden. Ins Visier polizeilicher Maßnahmen gerieten die
18Vereinsvorstände nun nicht etwa als Verdächtige, sondern als Zeugen.
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20Der Hintergrund der Durchsuchungen und Beschlagnahmungen am 20. Juni
21mutet abenteuerlich an: Es gab eine anonyme Webseite im Internet, die zu
22Protesten gegen den AfD-Parteitag in Augsburg aufgerufen hatte. Die
23unbekannten Betreiber dieser Webseite verwendeten eine beim alternativen
24E-Mail-Provider Riseup registrierte Mail-Adresse. \[1\] Für Spenden an
25[riseup.net](https://riseup.net/ "Riseup Homepage") wiederum existiert
26beim Verein Zwiebelfreunde eine Bankverbindung für ein Spendenkonto.
27
28Riseup hat seinen Sitz in den Vereinigten Staaten und bietet im Grunde
29eine coole und kommerzfreie Alternative zu Gmail an. Wegen der sonst rar
30gewordenen strikten Datenschutz-Richtlinien wird er weltweit von einer
31Vielzahl von NGOs und Graswurzelbewegungen verwendet.
32
33Das hat sich jedoch nicht bis nach Bayern zur Polizei herumgesprochen.
34Die Generalstaatsanwaltschaft München ging wohl irrig davon aus, dass
35jeder, der irgendwie auch nur entfernt mit Riseup in Verbindung steht,
36Angaben über jedes einzelne registrierte E-Mailkonto machen könne – auch
37zu den Betreibern einer mutmaßlich rechtswidrigen Internetseite. \[2\]
38Den ermittelnden Beamten vor Ort war offensichtlich bereits klar, wie
39schwach und haltlos konstruiert diese Verbindung ist. Das räumten sie
40gegenüber den Zeugen auch ein, zogen aber die Durchsuchungen und
41Beschlagnahmungen dennoch durch.
42
43Mit der gleichen an den Haaren herbeigezogenen Begründung hätte jede
44Durchsuchung bei beliebigen Personen zu Hause stattfinden können, wenn
45die anonyme Seite von Menschen mit Gmail-Adressen betrieben worden wäre.
46Die für einen offenkundig unsinnigen Zusammenhang lediglich als Zeugen
47geführten Betroffenen mussten Eingriffe in ihre Privatsphären über sich
48und ihre Familien ergehen lassen, die in jeder Hinsicht
49unverhältnismäßig sind. Ohne den Versuch einer Befragung der Zeugen
50wurden unmittelbar die privaten Wohnungen der Vorstände des Vereins
51durchsucht.
52
53Dabei wurde eine Vielzahl an informationstechnischen Geräten und
54zahlreiche Speichermedien beschlagnahmt. Betroffen von den
55Durchsuchungen und Beschlagnahmungen waren zudem vollkommen unbeteiligte
56Familienangehörige der Vereinsvorstände – die allesamt keiner Straftat
57beschuldigt waren. Von den Beschlagnahmungen betroffen sind außerdem
58unbeteiligte Firmen und sensible Daten unbeteiligter Projekte der
59Zwiebelfreunde, beispielsweise der Linux-Distribution Tails. Eine
60Herausgabe der beschlagnahmten Hardware wird bisher bei einigen
61Betroffenen verweigert.
62
63„Der Fall zeigt plastisch, wie leicht komplett unbescholtene Bürger
64mitsamt ihrer Familien durch eine konstruierte Indizienkette zum Opfer
65schwerer Grundrechtseingriffe werden können. Auf der Basis einer so
66offensichtlich unhaltbaren Argumentation als Zeuge mit völlig
67überzogenen Maßnahmen behelligt zu werden, ist mehr als fragwürdig. Die
68Verschärfung der bayerischen Polizei-Gesetze in den letzten Jahren führt
69offenbar dazu, dass sich die Verantwortlichen an das Gebot der
70Verhältnismäßigkeit von Eingriffen nicht mehr gebunden fühlen“, sagte
71Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC).
72
73Nochmal zum Mitmeißeln: Aus dem Vorhandensein einer E-Mailadresse bei
74einem großen freien Anbieter auf einer Webseite haben die Strafverfolger
75gefolgert, dass ein deutscher Verein in engem Zusammenhang mit den
76Aufrufen stehen müsse, der nichts weiter tut, als Spenden für diesen
77Anbieter abzuwickeln. Obwohl der Zwiebelfreunde-Verein offensichtlich
78mit dem Betrieb des Providers nichts zu tun hat, wurde er trotzdem en
79passant verdächtig. Dass die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen
80angeordnet wurden, offenbart entweder hochgradige kriminalistische
81Inkompetenz oder bösen Willen bei den bayerischen Ermittlungsbehörden.
82
83Wer die Zwiebelfreunde bei geplanten rechtlichen Schritten wegen der
84Herausgabe, einem Verwertungsverbot der beschlagnahmten Unterlagen und
85der Feststellung der Unverhältnismäßigkeit unterstützen möchte – und
86sich noch traut, auf entsprechende Konten zu spenden –, kann dies hier
87tun:
88[https://www.zwiebelfreunde.de/](https://www.zwiebelfreunde.net/ "Homepage des Vereins Zwiebelfreunde").
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90### Durchsuchung des OpenLab in Augsburg
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92Im Zuge der Durchsuchungen bei den Vereinsvorständen in Augsburg, Jena,
93Dresden und Berlin weitete die Polizei die Maßnahmen eigenmächtig auf
94Räume aus, die auch von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs (CCC)
95genutzt werden: das Augsburger OpenLab. Hier trafen die Beamten auf die
96Lebensrealität von Hackern: Arbeitsmittel zum Platinenätzen, Reinigen
97und Haarefärben. Weil die Polizisten dann noch eine Zeichnung auf einem
98Whiteboard des Hackerspaces großzügig als Bombenbauanleitung
99interpretierten, beschuldigten sie zufällig anwesende Mitglieder des
100Hackerspaces, sie würden ein Sprengstoffattentat vorbereiten. Drei
101Personen nahm die Polizei fest und durchsuchte danach den Hackerspace
102ohne einen Durchsuchungsbeschluss und ohne jegliche Zeugen.
103
104Sie beschlagnahmte Gegenstände aus dem OpenLab und öffnete mit Gewalt
105verschlossene Schränke, in denen sich auch Mitgliederdaten und
106Kontoauszüge befanden. Es ist davon auszugehen, dass Kopien gemacht
107wurden und in die Privatsphäre von Mitgliedern und Spendern beider
108Vereine eingegriffen wurde.
109
110Sowohl die initiale Verdachtsgewinnung gegen die Vorstände der
111Zwiebelfreunde als auch die nachfolgende Verdächtigung in Richtung
112Sprengstoff sind entweder inkompetent oder böswillig. Der schwerwiegende
113Verdacht der „Vorbereitung eines Sprengstoffattentats“ bedroht den
114Betrieb jedes Labors und jedes Hackerspaces dramatisch – das
115familienfreundliche OpenLab ist so gut wie täglich für Besucher
116geöffnet. Wenn nun schon die schlichte Auseinandersetzung mit chemischen
117Grundkenntnissen als Verdachtsmoment gilt, so muss bald jeder Schüler
118sein Chemiebuch gut vor den Augen neugieriger Polizisten verstecken.
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120Wer mehr über die polizeiliche Rollkommando-Aktion erfahren möchte, kann
121am Freitag bei [logbuch-netzpolitik.de](https://logbuch-netzpolitik.de/)
122reinhören. Einer der Betroffenen wird über die Vorkommnisse berichten.
123Der Podcast wird um 18 Uhr online sein.
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125### Links:
126
127- \[1\] [https://riseup.net](https://riseup.net/)
128- \[2\]
129 [AfD-Protestseite](https://augsburgfuerkrawalltouristen.noblogs.org/impressum/)
130- \[3\]
131 [https://www.zwiebelfreunde.de](https://www.zwiebelfreunde.de/)