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1title: CCC entsetzt über Softwarepatent-Äußerungen von Zypries
2date: 2004-05-28 00:00:00
3updated: 2009-04-18 19:12:37
4author: fefe
5tags: update
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8Mit Entsetzen reagiert der Chaos Computer Club auf die jüngsten
9Äußerungen der Justizministerin Zypries zum Thema Softwarepatente.
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14Am 28.05.2004 stellte sich Zypries im [Online-Streitgespräch des Heise
15Verlags (c't,
16Ix)](http://www.heise.de/chat/archiv/04/05/28/archiv.shtml) den Fragen
17von ca. 500 Internet-Nutzern und Software-Entwicklern. Dabei verteidigte
18sie die [Handlungen der
19Bundesregierung](http://www.heise.de/newsticker/meldung/47524) bezüglich
20der umstrittenen Softwarepatentrichtlinie der Europäischen Union.
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22Der Chaos Computer Club fordert die Bundesregierung und das Europäische
23Parlament auf, Software und Algorithmen auch weiterhin generell nicht
24patentierbar zu halten. Konkurrenzfähigkeit und sogar das Überleben der
25Europäischen Softwarewirtschaft sind direkt davon abhängig, daß Software
26und Algorithmen auch weiterhin nicht patentierbar bleiben. "Wenn das
27durchkommt, können wir auf Jahre niemanden mehr einstellen, weil unser
28Geld durch Patent-Streitigkeiten gebunden ist", sagte
29Ex-CCC-Vorstandsmitglied Frank Rieger, selbst Gründer eines
30mittelständischen High-Tech-Unternehmens.
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32Langfristig sollte die Europäische Union im Sinne des Chancenausgleichs
33auch international auf eine Harmonisierung auf das Modell der nicht
34patentierbaren Software und Algorithmen drängen, um einen echten
35Wettbewerb kleiner Unternehmen mit den etablierten Konzernen mit ihren
36riesigen Patentportfolios zu ermöglichen. Hier bietet sich der
37Bundesregierung eine gute und einfache Möglichkeit, den Versprechen zur
38Senkung der Arbeitslosigkeit auch Taten folgen zu lassen und neue
39Arbeitsplätze in einer Wachstumsbranche zu schaffen.
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41Die Patentpolitik der Bundesregierung wurde offensichtlich ohne
42Folgenabschätzung für die vornehmlich mittelständische Wirtschaft in
43Deutschland geplant, für die die Einführung der Softwarepatente eine
44existenzgefährdende Bedrohung darstellt. Ebenfalls katastrophal stellt
45sich die Lage für die gerade hoffnungsvoll aufkeimende
46Entwickler-Community freier Software wie Linux dar, weil in diesem
47Entwicklungsmodell Lizenzgebühren unabhängig von ihrer Höhe ein
48Ausschlußkriterium darstellen.
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50Selbst die wenigen inhaltlichen Argumente von Frau Zypries stellen sich
51bei näherer Betrachtung als unwahr heraus, wie z.B. ihre Darstellung,
52daß Patente ja lediglich 60 Euro kosten würden und das könne sich ja
53jeder leisten, daher sei das gerecht. Wahr ist, daß die *Anmeldung*
54eines Patentes 60 Euro kostet, die dazugehörige Recherche kostet noch
55mal 250 Euro, das Prüfungsverfahren 350 Euro und das Anmeldeverfahren
56für ein ergänzendes Schutzzertifikat 300 Euro. Dann muß man ab dem 3.
57Jahr jeweils noch für die Aufrechterhaltung des Patentes zahlen. Die
58diversen Kosten kann man dem Kostenmerkblatt des Patent- und Markenamtes
59entnehmen: <http://www.dpma.de/formulare/a9510.pdf>
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61Aber selbst wenn Patente kostenlos wären, stellt sich das strukturelle
62Problem, daß man heute keine Software mehr entwickeln kann, ohne Patente
63zu verletzen. Und selbst wenn man vor dem Beginn der Entwicklung
64ausführlich recherchiert, können Patente trotzdem während der
65Entwicklung erlassen werden, die am Ende die Früchte der Arbeit zunichte
66machen. Das Ausmaß der bereits erlassenen Junk-Patente dokumentiert der
67FFII eindrucksvoll auf <http://webshop.ffii.org/>. Der CCC weist
68ausdrücklich darauf hin, daß diese Patente bereits erfolgreich
69angemeldet wurden, im krassen Gegensatz zu den steten Beschwichtigungen
70der Bundesregierung, "amerikanische Zustände" würden wir in Europa schon
71vermeiden können, weil solche Patente geringer Erfindungshöhe gar nicht
72erst erteilt würden.
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74Der Chaos Computer Club warnt eindringlich vor Software-Patenten und
75ihren erstickenden Auswirkungen auf die Entwicklung freier Software in
76Europa und Deutschland. Das ist eines der wenigen Gebiete, in denen
77Europa noch weltweit technologisch an der Spitze steht. Exemplarisch
78seien Linux (Finnland), KDE (Deutschland) und GnuPG (Deutschland)
79erwähnt.
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81Aber auch für die mittelständische Softwarewirtschaft in Europa ist das
82Patentsystem in der jetzt erlassenen Fassung ein Todesurteil. Gerade in
83Europa besteht die Softwareindustrie zum Großteil aus kleinen und
84mittelständischen Systemhäusern und Beratungsunternehmen, die sich wegen
85des bisherigen unkritischen Patentrechtes das Anmelden von Patenten
86weitgehend gespart haben, während die Großunternehmen (insbesondere die
87internationalen Konzerne) ihre Patente üblicherweise präventiv in allen
88wichtigen Märkten angemeldet haben. Diese Patente werden durch die neue
89Gesetzgebung erstmals durchsetzbar. Wir können nicht nachvollziehen, wie
90eine Regierung den Unternehmen ihrer Bürger so in den Rücken fallen
91kann.