From 744cb3cf976f386df52e2576191182dc238431a5 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: 46halbe <46halbe@berlin.ccc.de> Date: Thu, 9 Jan 2020 07:53:40 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md | 96 ++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 96 insertions(+) create mode 100644 updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md diff --git a/updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md b/updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md new file mode 100644 index 00000000..e95500f1 --- /dev/null +++ b/updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md @@ -0,0 +1,96 @@ +title: Aktuelle Pläne des Innenministeriums müssen gestoppt werden – Bündnis fordert Verbot automatisierter Gesichtserkennung +date: 2020-01-09 07:53:40 +updated: 2020-01-09 07:53:40 +author: evelyn +tags: update, pressemitteilung + +Ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wendet sich gegen den Vorstoß des Innenministeriums, an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen automatisierte Gesichtserkennung einsetzen zu wollen. Stattdessen fordert das Bündnis „Gesichtserkennung stoppen“ ein Verbot dieser hochproblematischen Technologie in Deutschland. + + + +Auch wenn eine Verbesserung der Sicherheit etwa an Bahnhöfen +grundsätzlich sinnvoll erscheint, ist automatisierte Gesichtserkennung +als Mittel dafür nicht nur ungeeignet, sondern hat immense negative +Folgen für Millionen Passanten und Reisende. Automatisierte +Gesichtserkennung bedeutet eine permanente heimliche Personenüberwachung +in öffentlichen Räumen wie Bahnhöfen oder Flughäfen. Die Körperdaten +aller Vorbeilaufenden werden dabei erfasst und automatisiert mit +Datenbanken abgeglichen, ohne dass die Betroffenen dies bemerken müssen. +Damit greift die automatisierte Gesichtserkennung tief in die Rechte und +Freiheiten von Menschen ein, wenn biometrische Körperdaten quasi im +Vorbeigehen und anlasslos analysiert werden. + +„Automatische Gesichtserkennung ist eine Hochrisikotechnologie“, erklärt +Viktor Schlüter von der Organisation Digitale Freiheit: „Hohe +Falscherkennungsraten, die Diskriminierung von Frauen und People of +Color und das enorme Missbrauchspotential stellen eine Gefahr für die +Demokratie dar.“ + +„Dieses unnötige und invasive Biometriesystem ist nur ein weiterer +Baustein, den maschinenlesbaren Menschen zu schaffen. Allein durch das +zufällige Vorbeilaufen legen wir mit unseren Körperdaten eine digitale +Spur, die uns alle auch wegen der Unzuverlässigkeit der eingesetzten +Algorithmen in unseren Rechten und Freiheiten einschränkt“, sagte Dirk +Engling, Sprecher des Chaos Computer Clubs. + +„Die optische Vermessung von Gesichtern droht eine weitere Form der +anlasslosen Überwachung zu werden, nur diesmal mit detaillierten +Körperdaten“, fügt Rainer Rehak vom Forum InformatikerInnen für Frieden +und gesellschaftliche Verantwortung hinzu. „Wir müssen uns jetzt diesen +gefährlichen Plänen in den Weg stellen, bevor immer mehr öffentliche +Räume mit biometrischen Erkennungssystemen bestückt werden, die zudem +nicht einmal mehr Sicherheit bringen.“ + +„Der Einsatz dieser Technologie zur Überwachung des öffentlichen Raumes +schränkt auch politische Teilhabe ein: Wer fürchten muss, automatisch +erfasst zu werden, wird im Zweifel eher nicht an einer Demonstration +teilnehmen“, gibt Elisabeth Niekrenz von der Digitalen Gesellschaft zu +bedenken. + +Im Lichte stetig sinkender Kriminalitätsraten in Deutschland besteht +nicht nur keinerlei Notwendigkeit für neue, teure und ineffiziente +Überwachungsmaßnahmen zur anlasslosen Erfassung von Körperdaten von +Reisenden, sondern ist es Zeit, ein Verbot dieser gesellschaftlich +schädlichen Technologie in die Wege zu leiten. Ein Verbot +automatisierter Gesichtserkennung in Deutschland hat bereits Vorbilder: +Mehrere US-amerikanische Großstädte haben den Einsatz der Technologie +durch staatliche Stellen im öffentlichen Raum aufgrund der damit +verbundenen Gefahren verboten. Der Stadtrat von San Francisco etwa +bezeichnete automatisierte Gesichtserkennung als „gefährliche Waffe“ +sowie als inkompatibel mit einer gesunden Demokratie und verbot ihren +Einsatz. \[3\] + +Dass die teure Technik überhaupt einsatzreif ist und den erhofften Zweck +erfüllt, ist zudem zweifelhaft: In einem Gesichtserkennungstest von +Innenministerium und Bundespolizei im Jahr 2018 in Berlin war die +Falscherkennungsrate so hoch, dass mehr als jede 200. Person +fälschlicherweise erkannt wurde. Dies würde allein am getesteten +Berliner Bahnhof Südkreuz zu täglich 600 Fehlalarmen führen. Der Chaos +Computer Club \[1\] und das Forum InformatikerInnen für Frieden und +gesellschaftliche Verantwortung \[2\] kritisierten die +unwissenschaftliche Vorgehensweise und Auswertung der Tests sowie die +deutlich geschönten Testergebnisse. + +Das Bündnis „Gesichtserkennung stoppen“ besteht aus den +zivilgesellschaftlichen Organisationen Digitale Freiheit, Chaos Computer +Club, Digitale Gesellschaft, Forum InformatikerInnen für Frieden und +gesellschaftliche Verantwortung sowie Digitalcourage. + +Der Chaos Computer Club fordert die detaillierte Veröffentlichung der +Ergebnisse der vergangenen und laufenden Biometrie-Tests an Bahnhöfen, +um eine ernsthafte Bewertung der Ergebnisse und eine öffentliche +Diskussion über die Erkennungssysteme zu ermöglichen. + +**Links**: + +\[0\] + +\[1\] Biometrische Videoüberwachung: Der Südkreuz-Versuch war kein +Erfolg, +[https://www.ccc.de/de/updates/2018/debakel-am-suedkreuz](/de/updates/2018/debakel-am-suedkreuz) + +\[2\] Verfälschte Studie zur Tauglichkeit grundrechtswidriger Techniken, + + +\[3\] + -- cgit v1.2.3