From a2eef80c74b4105aa750df25b8ed8dbcd8e12011 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: erdgeist Date: Fri, 27 Jan 2012 00:34:46 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2012/mythos-schutzluecke.md | 70 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 70 insertions(+) create mode 100644 updates/2012/mythos-schutzluecke.md diff --git a/updates/2012/mythos-schutzluecke.md b/updates/2012/mythos-schutzluecke.md new file mode 100644 index 00000000..96266d3c --- /dev/null +++ b/updates/2012/mythos-schutzluecke.md @@ -0,0 +1,70 @@ +title: Wissenschaftliches Gutachten belegt: keine "Schutzlücke" ohne Vorratsdatenspeicherung +date: 2012-01-27 00:25:00 +updated: 2012-01-27 00:34:46 +author: erdgeist +tags: update, pressemitteilung, vds, vorratsdatenspeicherung, gutachten +previewimage: /images/vds-keine-chance.jpg + +Dem Chaos Computer Club (CCC) wurde ein wissenschaftliches Gutachten der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts (MPI) für ausländisches und internationales Strafrecht zugespielt, das sich detailliert mit der Frage der angeblichen "Schutzlücke" durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 beschäftigt. Die Studie kommt zum eindeutigen Ergebnis, daß eine solche immer wieder behauptete Lücke nicht besteht. Die angebliche Notwendigkeit der Speicherung von 300 bis 500 Millionen Datensätzen pro Tag kann laut der Untersuchung nicht durch kriminologische Statistiken belegt werden. + + + +Der CCC publiziert das 271-seitige Dokument, um endlich eine +faktenbezogene Diskussion um die angebliche Notwendigkeit der +Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen. "Die umfangreiche europaweite +Erhebung und Auswertung des MPI offenbart, daß die Stammtischparolen von +der 'Schutzlücke' durch den Wegfall der anlaßlosen +Telekommunikationsdatenspeicherung keine Faktenbasis haben", faßte +CCC-Sprecher Frank Rieger die Ergebnisse der Studie zusammen. "Die +Vorratsdatenspeicherung führt nachweislich nicht zu höheren +Aufklärungsquoten bei schweren Verbrechen." Das Gutachten vom Juli 2011 +betrachtet detailliert Deliktsbereiche hinsichtlich ihrer +Aufklärungsquoten. Für den Zeitraum in dem es in Deutschland eine +Vorratsdatenspeicherung gab, ist kein positiver Effekt auf die +Aufklärungsquoten zu verzeichnen. Aber auch nach dem Ende der +Vorratsdatenspeicherung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts +vom 2. März 2010 war kein Abfall der Quote der aufgeklärten Fälle zu +beobachten. + +Weiterhin verglichen die MPI-Forscher die Situation und Entwicklungen in +anderen europäischen Ländern und zogen auch die Daten aus der auf +EU-Ebene durchgeführten, äußerst unzureichenden "Evaluation" heran. +Zudem wurden Ermittler, Staatsanwälte und Richter befragt. Auch im +direkten Vergleich mit anderen europäischen Ländern, die derzeit eine +Vorratsdatenspeicherung umsetzen, ist keine deutsche "Schutzlücke" +feststellbar. + +Die Studie bemängelt weiterhin das Fehlen systematischer empirischer +Untersuchungen zu den Auswirkungen der anlaßlosen Massenerfassung. Auch +in Zukunft sind solche wissenschaftlichen Evaluationen aus Kostengründen +nicht einmal geplant. Entsprechend werden von den Befürwortern der +anlaßlosen Massenspeicherung lediglich Einzelfälle herangezogen, um die +Notwendigkeit der Datenhalden herbeizureden. + +"Der hartnäckige Unwille, technische Ermittlungsmaßnahmen, die tief in +Grundrechte eingreifen, einer regelmäßigen neutralen Evaluierung zu +unterwerfen, setzt sich hier fort", erklärte CCC-Sprecher Frank Rieger. +"Innenpolitiker und Sicherheitsbehörden sehen offenbar keinen Bedarf an +einer sachlichen, faktengestützten Diskussion und versuchen stattdessen +immer wieder, mit Einzelfällen und Andekdoten die öffentliche Meinung zu +manipulieren." Laut dem MPI-Gutachten halten solche in der öffentlichen +Debatte gern verwendeten Fallbeschreibungen einer nüchternen +wissenschaftlichen Überprüfung oftmals nicht stand. + +Selbst beim Lieblingsthema der Sicherheitspolitiker, dem islamistischen +Terror, liegen keinerlei Hinweise dafür vor, daß auf Vorrat gespeicherte +Verkehrsdaten in den letzten Jahren zur Verhinderung eines +Terroranschlags geführt hätten, wie die MPI-Untersuchung feststellt. + +Das Gutachten betrachtet nüchtern die kriminologischen Effekte der +Vorratsdatenspeicherung und kommt zu dem eindeutigen Schluß, daß die +behauptete Schutzlücke nicht besteht. Nicht erst aufgrund dieser +Erkenntnis fordert der CCC daher erneut, auf eine massenhafte +verdachtslose Speicherung von Telekommunikationsdaten zu verzichten. + +## Links: + +Gutachten des MPI: ["Schutzlücken durch Wegfall der +Vorratsdatenspeicherung? Eine Untersuchung zu Problemen der +Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Fehlen gespeicherter +Telekommunikationsverkehrsdaten"](http://vds.brauchts.net/MPI_VDS_Studie.pdf "Gutachten des MPI") -- cgit v1.2.3