From eadc01b8ace6c27775bc490848d75ac424c166db Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: 46halbe <46halbe@berlin.ccc.de> Date: Tue, 12 Mar 2013 01:09:30 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2013/eugh-biometrie.md | 83 ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 83 insertions(+) create mode 100644 updates/2013/eugh-biometrie.md diff --git a/updates/2013/eugh-biometrie.md b/updates/2013/eugh-biometrie.md new file mode 100644 index 00000000..27ad26ac --- /dev/null +++ b/updates/2013/eugh-biometrie.md @@ -0,0 +1,83 @@ +title: EuGH entscheidet über Zukunft der biometrischen Erfassung für Reisedokumente +date: 2013-03-12 00:43:00 +updated: 2013-03-12 01:09:30 +author: remission +tags: update, pressemitteilung + +Am Mittwoch führt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg eine Anhörung über die Rechtmäßigkeit der Erfassung von biometrischen Fingerabdrücken für Reisepässe durch. + + + +Der Kläger rügt, daß die zwangsweise biometrische Erfassung ein Verstoß +gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische +Charta der Grundrechte in Fragen des Datenschutzes und der Privatsphäre, +aber auch bei Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist. Weiterhin +steht in Frage, inwieweit die biometrischen Merkmale überhaupt geeignet +sind, eine betrügerische Verwendung von Pässen zu verhindern. + +Der Chaos Computer Club (CCC) hatte bereits 2004 erfolgreich +demonstriert, daß sich Fingerabdrücke fremder Menschen problemlos von +Alltagsgegenständen abnehmen und zu verwendbaren Attrappen formen +lassen, die die marktüblichen Fingerabdruck-Sensoren überlisten können. +\[0\] Dem fraglichen Nutzen steht das erhebliche Risiko des +unkontrollierbaren Abflusses der biometrischen Daten durch +internationale Kooperation der Polizei- und Geheimdienstbehörden und +technische Sicherheitslücken gegenüber. + +Das Verfahren vor dem EuGH entscheidet über die Zukunft der +biometrischen Erfassung für über vierhundert Millionen Europäer und gilt +als wesentliche Richtungsentscheidung für die europäische +Sicherheitsgesetzgebung und die Frage, welche grund- und +menschenrechtlichen Maßstäbe angelegt werden. + +"Es geht im Kern darum, ob sinnlose Profitmaximierungsprojekte von +Unternehmen der Biometrie- und RFID-Industrie den Vorrang haben sollen +vor der Grundrechtecharta", sagte Frank Rieger, Sprecher des CCC. "Der +Nutzen der Biometrie in Reisedokumenten ist nach wie vor vollkommen +unbelegt." + +Jeder kann ohne besonderes Fachwissen den die biometrischen Daten +enthaltenden Chip in seinem Paß deaktivieren und damit dauerhaft das +Auslesen der Daten verhindern. Der Paß bleibt weiterhin gültig ist, da +eine technische Fehlfunktion des Chips nicht auszuschließen ist. Damit +ist die Begründung der Erfassung und Speicherung mit dem Argument der +Sicherheit völlig absurd. + +Der CCC kämpft seit Jahren gegen die Abnahme und Speicherung der +Millionen Fingerabdrücke. Er ist durch seine Sprecherin Constanze Kurz +als technische Sachverständige vertreten. + +  + +**Links**: + +- \[0\] Die Zwei-Minuten-Anleitung zum Fingerabdruck-Fälschen als + [Video](http://chaosradio.ccc.de/ctv001.html) +- \[1\] [Rechtssache C-291/12 am EuGH](http://grin.to/4MbiI) +- \[2\] [Meine Finger gehören + mir](http://media.ccc.de/browse/congress/2007/24c3-2346-de-meine_finger_gehoeren_mir.html) +- \[3\] Materialsammlung Biometrie: + + +  + +**Hintergrund**: + +Ein Bochumer Anwalt klagt seit Jahren vor dem Verwaltungsgericht +Gelsenkirchen gegen die Stadt Bochum. Er wollte seine Fingerabdrücke +nicht abgeben, bekam daher keinen Reisepaß. Er will die Stadt Bochum nun +verpflichtet sehen, ihm den Paß ohne Abdrücke auszustellen. + +Das lange untätige Verwaltungsgericht setzte nach fünf Jahren das +Verfahren im Mai 2012 aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs +der Europäischen Union zu wichtigen Fragen einzuholen: Ist Art. 1 Abs. 2 +der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gültig? Ist diese EU-Verordnung von +2004 rechtmäßig zustandegekommen? Verstößt die Verordnung gegen die EMRK +(Art. 8) und die Charta der Grundrechte (Art. 8)? + +Der ursprüngliche EU-Kommissionsvorschlag enthielt nur eine freiwillige +Aufnahme von Fingerabdrücken. Kurzfristig wurde in den Vorschlag dann +jedoch eine verpflichtende Aufnahme aufgenommen, ohne das EU-Parlament +erneut zu konsultieren. EU-Verordnungen sind verbindlich und gelten +unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Daher verweist das deutsche +Paßgesetz nur auf die EU-Verordnung (Par. 4 Abs. 3 PassG). -- cgit v1.2.3