From 2052d517942032e2f3df834876cc47c1d37a0a3e Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: frankro Date: Sat, 18 Apr 2009 19:12:41 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2005/pm20050906.md | 121 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 121 insertions(+) create mode 100644 updates/2005/pm20050906.md (limited to 'updates/2005') diff --git a/updates/2005/pm20050906.md b/updates/2005/pm20050906.md new file mode 100644 index 00000000..c3abe0d5 --- /dev/null +++ b/updates/2005/pm20050906.md @@ -0,0 +1,121 @@ +title: Pressemitteilung BioP II Studie +date: 2005-09-06 00:00:00 +updated: 2009-04-18 19:12:41 +author: frankro +tags: update + +CCC warnt vor Biometrie-Desaster bei neuen Reisepässen + + + +Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat +kürzlich die "BioP2-Studie" zur Leistungsfähigkeit biometrischer +Verfahren für die neuen Reisepässe ("ePass") veröffentlicht. Der Chaos +Computer Club (CCC) warnt nach Auswertung der Studie nachdrücklich vor +dem Einsatz der offensichtlich untauglichen Biometriesysteme. Angesichts +der unzulänglichen Technik und den enormen Kosten droht der +Bundesrepublik ein neues Hi-Tech-Debakel. + +Betroffen von der Einführung der ePässe ab 1. November 2005 sind pro +Jahr zwei Millionen Deutsche. Die BSI-Studie sollte ermitteln, ob +biometrische Verfahren im praktischen Einsatz tauglich und +benutzerfreundlich sind. Sie sollte als Grundlage für das +Gesetzgebungsverfahren Empfehlungen für die Umsetzung an Flughäfen oder +Grenzübergängen unterbreiten. Der Gesetzgeber ignorierte die eigens in +Auftrag gegebene Studie jedoch. + +### Biometrische Verfahren ungeeignet + +Die getesteten Verfahren wiesen zwischen 3 und 23 Prozent der +teilnehmenden Personen fälschlich zurück. Wenn diese Systeme tatsächlich +flächendeckend in der Passkontrolle eingesetzt werden, stehen täglich +zehntausende Menschen an den Flughäfen vor rot blinkenden Bildschirmen. +Ihre Fingerabdrücke oder digitalen Fotos würden von der Software nicht +erkannt. Laut Bundesinnenministerium hätten diese Bürger dann mit einer +"verschärften Kontrolle" zu rechnen. + +Im Rahmen der BSI-Studie wurden auch Untersuchungen zur +Überwindungssicherheit der Verfahren angestellt. Die Ergebnisse dieser +Tests werden jedoch geheim gehalten. "Wir nehmen an, dass das BSI zu +ähnlich verheerenden Ergebnissen gekommen ist, wie der CCC bei seinen +Untersuchungen", so Andy Müller-Maguhn, Sprecher des CCC. Der Club hatte +in der Vergangenheit mehrfach die Überwindbarkeit von biometrischen +Systemen mit einfachsten Mitteln demonstriert. + +Die BioP2-Studie kommt zu dem Schluss, dass zahlreiche technische +Verbesserungen sowie eine weitere "gründliche Untersuchung der +Funktionstüchtigkeit, der Erkennungsleistung und der +Überwindungssicherheit" notwendig sind. Das BSI räumt damit selbst ein, +dass die Technologie alles andere als einsatztauglich ist. Es wird gar +die Hoffnung bekundet, die Bürger würden sich schon an die dauernden +Zurückweisungen, hohen Fehlerraten und nicht intuitive Benutzerführung +der Systeme gewöhnen. + +Die deutschen Reisepässe gehören laut BKA zu den sichersten der Welt. +Funkchips und Biometrie werden dieses Sicherheitsniveau senken, weil +sich die Grenzbeamten zunehmend auf die unzulängliche Technik verlassen. +Andy Müller-Maguhn fasst zusammen: "Hier wird ein teures, unausgereiftes +und unsicheres System eingeführt, das beste Chancen hat, zu einem +weiteren Technologie-Desaster zu werden. Es ist offensichtlich, dass mit +der Einführung des ePasses vor allem Industrieinteressen bedient und die +angeschlagene Bundesdruckerei saniert werden sollen." + +Der Chaos Computer Club fordert, die Einführung von Biometrie und +Funkchips in den Reisepässen bis auf weiteres auszusetzen. Sollte sich +bei einer ergebnisoffenen Prüfung der Verfahren bestätigen, dass sie +prinzipiell nicht geeignet sind, muss auf den Einsatz in Reisepässen +grundsätzlich verzichtet werden. + +### Die Kritikpunkte im Überblick: + +- Erkennungsleistungen:\ + Keines der getesteten Systeme kann durch Leistungsfähigkeit + überzeugen. Insbesondere die Gesichts- und Iriserkennung erreichen + Falschrückweisungsraten, die deutlich machen, dass sie praktisch + nicht benutzbar sind. +- Sicherheit:\ + Die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsmechanismen sowie die + Überwindungssicherheit der Systeme konnten nicht belegt werden, da + die entsprechenden Testresultate nicht publiziert wurden. + Unabhängige Untersuchungen durch den CCC legen nahe, dass alle + biometrischen Systeme eine mangelhafte Überwindungssicherheit + aufweisen. +- Benutzbarkeit:\ + Die Systeme verfügen über keine ausreichende Benutzerführung. Eine + intensive Betreuung der Bürger sowie umfängliche Schulung des + Personals müßte daher gewährleistet werden. Die Kosten wird der + Passinhaber tragen. +- Akzeptanz:\ + Auf Grund der hohen Falschrückweisungsraten und der nicht intuitiven + Benutzerführung zeigten über die Hälfte der Testteilnehmer ihre + mangelnde Akzeptanz der Systeme dadurch, dass sie nach der + Registrierung kaum aktiv am Feldtest teilnahmen. +- Verzerrung der Ergebnisse der Studie:\ + Durch gezieltes Weglassen signifikant schlechter Ergebnisse zu + Beginn des Feldtests werden die Erkennungsleistungen der Systeme + verzerrt dargestellt. Eine Änderung der Testparameter während des + laufenden Versuchs manipuliert die Ergebnisse zusätzlich und + verkleinert die ohnehin unzureichende Datenbasis weiter. Die Anlagen + mit den konkreten Daten des Tests wurden nicht veröffentlicht. +- Repräsentativität:\ + Die Anzahl und Auswahl der Testteilnehmer der Studie ist + hinsichtlich Alter, Geschlecht, Beruf und weiterer Eigenschaften + nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Die Ergebnisse der + Studie geben daher keine zuverlässige Auskunft zur tatsächlichen + Einsatzfähigkeit der Verfahren. Auf Grund der Teilnehmer- + Zusammensetzung sind in der Praxis noch schlechtere Ergebnisse zu + erwarten. +- Kosten:\ + Die Kosten für die Erfassungsgeräte in den ca. 6000 Meldestellen, + die Kontrollsysteme an den 419 Grenzübergangsstellen, das zusätzlich + notwendige Betreuungspersonal an den Geräten, die Schulungen des + Personals sowie die nötigen Umbauten (auf Grund der benötigten + Lichtverhältnisse für die Gesichtserkennung) wurden nicht + dargestellt. Eine Kosten/Nutzen-Abwägung fand nicht statt. + +Eine Materialsammlung zum Thema ePass hat der CCC unter +[www.ccc.de/epass](/de/epass/) online gestellt. Insbesondere für +Medienvertreter empfehlen wir [die Antworten der BMI-Pressestelle mit +unseren Kommentaren](/de/epass/stellungnahme-bmi).\ +Rückfragen bitte an biometrie(at)ccc.de oder\ +Frank Rosengart, 0177/3786912 -- cgit v1.2.3