From 880a00684809d72ab9447f1c037d1eb3c0319c75 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: 46halbe <46halbe@berlin.ccc.de> Date: Tue, 3 Jul 2018 07:27:51 +0000 Subject: committing page revision 1 --- ...tarken-nur-die-macht-von-google-und-facebook.md | 128 +++++++++++++++++++++ 1 file changed, 128 insertions(+) create mode 100644 updates/2018/europaweite-upload-filter-starken-nur-die-macht-von-google-und-facebook.md (limited to 'updates/2018') diff --git a/updates/2018/europaweite-upload-filter-starken-nur-die-macht-von-google-und-facebook.md b/updates/2018/europaweite-upload-filter-starken-nur-die-macht-von-google-und-facebook.md new file mode 100644 index 00000000..8651414c --- /dev/null +++ b/updates/2018/europaweite-upload-filter-starken-nur-die-macht-von-google-und-facebook.md @@ -0,0 +1,128 @@ +title: Europaweite Upload-Filter stärken nur die Macht von Google und Facebook +date: 2018-07-03 07:27:51 +updated: 2018-07-03 07:27:51 +author: erdgeist +tags: update, pressemitteilung + +Während der deutsche Innenminister mit seinen Peinlichkeiten die Medienwelt in Atem hält, droht auf EU-Ebene weitgehend unbemerkt großer Schaden: Das EU-Parlament steht kurz davor, mit verpflichtenden Upload-Filtern das Internet nachhaltig zu verändern und die Macht von Google und Facebook weiter zu zementieren. + + + +## Worum geht es? + +Unter der Federführung des Berichterstatters Axel Voss (CDU) hat sich +der Rechtsausschuss des EU-Parlaments vergangene Woche auf das +[Erzwingen von sogenannten Upload-Filtern +geeinigt](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fTEXT%2bREPORT%2bA8-2018-0245%2b0%2bDOC%2bXML%2bV0%2f%2fEN&language=EN). +Der Entwurf soll diese Woche Donnerstag in der Plenarsitzung des +EU-Parlaments abgesegnet werden. Ein weiterer gefährlicher Teil der +Vorlage ist die Einführung eines europaweiten Leistungsschutzrechts für +Presseverlage. + +## Warum ist das gefährlich? + +### Upload-Filter (Artikel 13) + +Mit den verpflichtenden Upload-Filtern soll schon vor einer +Veröffentlichung im Internet verhindert werden, dass dadurch +Urheberrechte Dritter verletzt werden. Was in der Theorie simpel klingen +mag, erfordert in der Praxis eine immens große, ständig aktualisierte +Datenbank sämtlicher Text-, Audio- und Video-Ausschnitte, für die +Verwertungsrechte geltend gemacht werden. Hinzu kommt ein enormer +Aufwand für „smarte“ Algorithmen, die auch Abwandlungen und +Modifikationen des Originals erkennen sollen. + +Für den Großteil kleinerer Anbieter ist dieser Aufwand schlichtweg nicht +zu leisten. Das erkennt selbst Axel Voss und empfiehlt daher, die +Dienste größerer Plattformen in Anspruch zu nehmen. Wie das +funktioniert, sehen wir bereits bei eingebetteten Videos, +Kartenausschnitten, Captchas und sogar Webfonts: Was auf kleineren +Webseiten zu sehen ist, bestimmen die Großen, die robuster erscheinende +Infrastruktur und eine gut ausgestattete Rechtsabteilung bereithalten +können. + +Für die datenhungrigen Dauerwerbe-Plattformen wären die Filter also ein +Geschenk des Himmels: Ihnen würden die wenigen verbliebenen Konkurrenten +aus Angst vor der Rechtsunsicherheit schon in den Upload-Formularen +sämtliche hochzuladenden Inhalte zur Kontrolle weiterleiten. Ein Leben +ohne Google und Facebook würde damit unmöglich. + +„Den marktbeherrschenden Plattformen sämtliche Inhalte der Konkurrenz +frei Haus zur Kontrolle und Zensur zu liefern, wäre genau das Gegenteil +einer Einschränkung der marktbeherrschenden Stellung von Google und +Facebook. Es wäre eine endgültige und grundlose Kapitulation“, sagte +Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC). + +Doch selbst mit fast unbegrenzten Ressourcen ist die Filter-Aufgabe kaum +zu stemmen: So unterhalten Werbeplattformen wie die Google-Marke Youtube +sowie Facebook bereits derartige Zensur-Infrastrukturen, die regelmäßig +durch Fehlentscheidungen zu hausgemachten Skandalen führen. Dass dadurch +die Kunstfreiheit, aber auch die Pressefreiheit betroffen sind, wird +immer wieder kritisiert. Selbst die Software der Marktführer kann +Zitate, Remixe, Berichterstattung, Satire oder Kunst nicht zuverlässig +von rechtsverletzenden Inhalten unterscheiden. + +Die Idee einer vorgelagerten Zensur ist für sich schon problematisch: Da +die vorgeschlagenen Erkennungsalgorithmen grundsätzlich fehlerbehaftet +sind, werden die global operierenden Werber Inhalte aufgrund sogenannter +„false positives“ übereifrig entsorgen, schon allein um Streitfälle zu +vermeiden. Hinzu kommt ein Missbrauch durch die Rechteverwerter, dem +nicht selten +[Aktivisten](https://www.derstandard.de/story/2000075640783/youtube-loescht-video-gegen-germanys-next-topmodel) +oder gar [Eltern und ihre +Säuglinge](https://twitter.com/EFF/status/1012006350396612608) zum Opfer +fallen. Eine Kompensation für ihre verletzten Rechte erhalten die +Betroffenen in der Regel nicht. + +### Leistungsschutzrecht für Presseverlage (Artikel 11) + +Über die Plattform „Google News“ lassen sich aktuelle Nachrichten +finden. Mit dem 2013 in Deutschland eingeführten „[Leistungsschutzrecht +für +Presseverlage](https://de.wikipedia.org/wiki/Leistungsschutzrecht_für_Presseverleger)“ +sollte Google gezwungen werden, die jeweiligen Online-Publikationen für +die Verwendung der Titel- und Teaser-Texte in den Artikel-Links zu +kompensieren. „Mit der gleichen Logik könnte ein Restaurantbesitzer von +Taxifahrern Geld verlangen, die ihm Gäste bringen“, [stellte der +Journalist Mario Sixtus schon 2012 +fest](https://www.tagesspiegel.de/medien/lobby-power-gegen-die-suchmaschine-die-google-neurose-der-verleger/6726592-all.html). + +Erwartungsgemäß geriet die deutsche Version des Leistungsschutzrechts +zur Farce: Medienhäuser einigten sich mit Google umgehend auf den +Verzicht der Geltendmachung des Leistungsschutzrechts, um auch weiterhin +kostenlos von Google verlinkt zu werden. Kleinere, weniger bedeutende +Plattformen hatten das Nachsehen und litten fortan unter der neu +geschaffenen Rechtsunsicherheit. In Spanien wurde [„Google News“ +kurzerhand +abgeschaltet](https://support.google.com/news/answer/6140047?hl=es), die +Online-Publikationen müssen seither dauerhaft auf die Verlinkungen +verzichten. Fazit: weitgehender Flurschaden, kein einziger Cent für die +Verlage, schon gar nicht für die Urheber der Texte. + +„Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage war eine Blamage mit Ansage +und Anlauf – und ist es noch. Statt die Fehler der Vergangenheit +einzusehen, sollen diese nun noch einmal gemacht werden – nur noch +größer!", sagte Linus Neumann, Sprecher des CCC. + +## Widerstand der Zivilgesellschaft + +Der internationale Widerstand gegen die unsinnigen Artikel der +EU-Urheberrechtsreform bündelt sich in der Kampagne „[Save Your +Internet](https://saveyourinternet.eu)“. Sie bietet Unterstützung beim +direkten Ansprechen der notorisch als „fern“ wahrgenommenen +EU-Parlamentarierinnen. Der CCC unterstützt den Aufruf und fordert die +Zivilgesellschaft auf, von den vielfältigen Protestmöglichkeiten +Gebrauch zu machen. „Natürlich erwarten wir alle freudig Horst Seehofers +Vorrundenaus – aber die Wartezeit lässt sich sinnvoll nutzen!“, sagte +Linus Neumann, Sprecher des CCC. + +## Links + +- [Kampagne: Save Your Internet"](https://saveyourinternet.eu) +- [Erläuterungen im + Detail](https://juliareda.eu/2018/06/article-11-13-vote/) +- [Podcast mit EU-Parlamentarierin Julia + Reda](https://logbuch-netzpolitik.de/lnp259-stell-dir-vor-es-ist-standard-und-keiner-macht-mit) + zu Upload-Filtern und Leistungsschutzrecht +- [Offener Brief des CCC zu + Upload-Filtern](/de/updates/2018/upload-filter "Offener Brief Upload-Filter") -- cgit v1.2.3