From b87ff1f2bbcb72cfa857f09ebff670f879dccf27 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: 46halbe <46halbe@berlin.ccc.de> Date: Mon, 25 Apr 2011 23:56:29 +0000 Subject: committing page revision 1 --- updates/2011/kulturwertmark.md | 147 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 147 insertions(+) create mode 100644 updates/2011/kulturwertmark.md (limited to 'updates') diff --git a/updates/2011/kulturwertmark.md b/updates/2011/kulturwertmark.md new file mode 100644 index 00000000..2a611206 --- /dev/null +++ b/updates/2011/kulturwertmark.md @@ -0,0 +1,147 @@ +title: Kulturwertmark +date: 2011-04-25 22:43:00 +updated: 2011-04-25 23:56:29 +author: admin +tags: update, pressemitteilung + +Der Chaos Computer Club (CCC) will der festgefahrenen Diskussion um die zukünftige Gestaltung einer gerechten Bezahlung für Kreative neues Leben einhauchen. Wir schlagen die Einführung eines neuen Konzeptes vor: die Kulturwertmark. + + + +Die aktuelle Debatte um die Finanzierung von Kunst und Kultur im +digitalen Zeitalter ist festgefahren. Es fehlte bisher ein Konzept, dass +zwei Ziele verbindet: Zum einen soll in Zukunft schöpferische Tätigkeit +materiell gerecht entlohnt werden. Zum anderen sollen Werke allgemein +zugänglich und kreativ weiterverwendbar sein, ihre Verwendung und +Archivierung nicht durch DRM (Digital Rights Management) behindert +werden. + +Zukünftig soll der Nutzer der Werke mit Hilfe des +Kulturwertmark-Systems, einer Form des digitalen Micropayments, direkt +bestimmen können, welche Kreativen wieviel Geld von ihm bekommen. Jeder +Teilnehmer zahlt einen festen monatlichen Betrag ins System ein, den er +dann in Form von Kulturwertmark an Künstler seiner Wahl vergeben kann. +Als Ausgleich stehen die Werke nach einigen Jahren oder nach  Erreichen +einer bestimmten Kulturwertmark-Auszahlsumme jedem zur +nicht-kommerziellen Nutzung zur Verfügung. + +Bisherhige Ideen wie die Kulturflatrate erschweren die Bildung einer +Marktdynamik, die für eine breite Akzeptanz nötig ist. Da jeder +Teilnehmer seine Kulturwertmark an die Künstler geben kann, die er toll +findet, gibt es keine zentrale Vergabebehörde – wie sie bei einer +Kulturflatrate notwendig wäre – und niemand muß sich Kriterien für den +Wert eines Werkes ausdenken. Wer besonders gute, breit akzeptierte Werke +schafft, wird auch entsprechend mehr belohnt. + +Dadurch wird ein alternativer neuer Markt für digitale Werke entstehen, +der eine direkte Bezahlung für Urheber vorsieht. Gleichzeitig wird eine +wachsende digitale Allmende geschaffen. Damit das System die gewünschte +Wirkung zeigt und ein hinreichend großes Volumen erreicht, könnte +beispielsweise jeder Nutzer durch einen Zuschlag zum +Internet-Breitbandanschluß beteiligt werden, den er dann in Form von +anonymen Micropayment-Einheiten, den Kulturwertmark, zum Belohnen von +Werken seiner Wahl zurückerhält. + +"Das Konzept der Kulturwertmark nutzt auf intelligente Weise die +aktuellen technologischen Möglichkeiten, um sinnvolle Lösungen für die +direkte Bezahlung von schöpferisch Tätigen zu realisieren", erläuterte +CCC-Sprecher Frank Rieger den Vorstoß. "Wir wollen raus aus den +Grabenkriegen, in denen die Diskussionen bisher feststecken, hin zu +einem zeitgemäßen, praktikablen Interessenausgleich." + +Das Kulturwertmark-System ist in zweijähriger Diskussion mit +Schriftstellern, Filmemachern, Malern, Podcastern, Galeristen und +Journalisten entstanden und darauf ausgelegt, eine möglichst breite +Vielfalt von schöpferischer Tätigkeit zu belohnen. Im Vordergrund stehen +dabei die tatsächlichen Interessen der Kreativen. Die Basis für das +Kulturwertmark-System soll von einer Stiftung als Open-Source-Software +realisiert werden, so daß sie in Zukunft auch in anderen Ländern +verwendet und weiterentwickelt werden kann. + +Im Rahmen des fairen Ausgleichs zwischen allen Interessensgruppen sind +eine Reihe von grundlegenden Änderungen an den bestehenden +Urheberrechtsmodellen notwendig. Insbesondere müssen Schutzfristen +deutlich verkürzt und die straf- und zivilrechtliche Verfolgung von +Filesharing und privaten Kopien auf kommerzielle – also auf +profitorientierte Gewinnerzielung zielende – Verstöße beschränkt werden. +Ebenso sollen die verwerterorientierten Prämissen des derzeitigen +Urheberrechts überwunden und ein angemessener Ausgleich zwischen +Autoren- und Rezipientenrechten erzielt werden. Dafür erhalten die +Kreativen in Deutschland die Möglichkeit, an einem riesigen neuen Markt +mit garantiertem Mindestvolumen teilzunehmen und die Gewißheit, daß ihre +Werke auch in Zukunft zugänglich und rezipierbar bleiben. + +"Mit der Kulturwertmark wird gleichzeitig die gerechte Entlohnung von +Kreativen gesichert, die sinnlose Verfolgung des privaten, +nicht-kommerziellen Filesharing beendet und eine deutliche Vergrößerung +der digitalen Allmende erreicht", faßte CCC-Sprecher Frank Rieger die +Vorteile des Systems zusammen. + +Ernstgemeinte Vorschläge für einen griffigeren Namen als +"Kulturwertmark" nimmt der CCC selbstverständlich gern entgegen. + +  + +**Links**: + +FAQ: [Fragen und Antworten zur +Kulturwertmark](http://ccc.de/de/faq-kulturwertmark) + +iRights.info News: + +Konzeptpapier als PDF: + oder +alternativ +[hier](http://ccc.de/system/uploads/65/original/kulturwertmark-neu.pdf) + +Konzeptpapier: + +  + +**Das Konzept**: + +1\. Jeder Teilnehmer am System zahlt monatlich einen allgemein +festgelegten Betrag. (In der radikalsten Variante wird der Betrag von +allen Steuerpflichtigen erhoben. Realistisch ist für den Anfang die +Erhebung über den Internetzugang.) + +2\. In Höhe dieses Betrages erhält jeder Teilnehmer Einheiten einer +kryptographisch gesicherten Micropayment-Währung, der Kulturwertmark. + +3\. Jeder Künstler, der am System teilzunehmen wünscht, registriert sein +Werk für die Teilnahme. + +4\. Nutzer können nun auf einfache Weise einen Betrag in Kulturwertmark +ihrer Wahl für das Werk an den Künstler transferieren. Sie erwerben +damit keine persönlichen Rechte an dem Werk, sondern drücken ihre +Wertschätzung aus. Es steht dem Künstler natürlich frei, beispielsweise +für den Download eines Werkes von seiner Seite einen bestimmten Betrag +der Kulturwertmark festzusetzen. Alternativ kann die Möglichkeit zum +Ausgeben der Kulturwertmark in Werke integriert werden, die dann völlig +außerhalb der Kontrolle des Künstlers getauscht oder per Filesharing +weitergegeben werden können. Der Künstler erhält das Euro-Äquivalent der +für ein Werk gezahlten Kulturwertmark in regelmäßigen Abständen +ausgezahlt. + +5\. Wird ein zuvor festgelegter Schwellwert erreicht, fallen die +Verwertungsrechte für das Werk automatisch in den Besitz der +Öffentlichkeit und stehen fortan unter einer freien Lizenz, +beispielsweise einer geeigneten Variante aus dem +Creative-Commons-Fundus. + +6\. Beträge, die von den Teilnehmern innerhalb eines bestimmten +Zeitraumes (etwa ein Jahr) nicht ausgegeben werden, werden automatisch +entsprechend aller vergebenen Beträge verteilt. Es gibt also eine +vorhersehbare Menge Geld, die pro Jahr tatsächlich verteilt wird. + +7\. Als Gegenleistung für diesen de facto garantierten Mindestumsatz +wird das bisherige Urheberrecht deutlich zugunsten der Rezipienten +geändert. Exzessiv lange Schutzfristen werden verkürzt, die zivil- und +strafrechtliche Verfolgung nicht-kommerziellen Filesharings wird +eingestellt. + +Im Ergebnis entsteht ein zweiter Markt für Kunst- und Kulturwerke, der +mit minimalem Bürokratie-Überhang zum einen ein sinnvolles Auskommen für +Künstler ermöglicht, zum anderen dabei den Marktkräften noch vollen Raum +zur Entfaltung läßt und schlußendlich eine fortlaufend wachsende +digitale Allmende schafft, die allen zur Verfügung steht. -- cgit v1.2.3