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author46halbe <46halbe@berlin.ccc.de>2013-03-12 01:09:30 +0000
committer46halbe <46halbe@berlin.ccc.de>2020-05-23 13:39:23 +0000
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1title: EuGH entscheidet über Zukunft der biometrischen Erfassung für Reisedokumente
2date: 2013-03-12 00:43:00
3updated: 2013-03-12 01:09:30
4author: remission
5tags: update, pressemitteilung
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7Am Mittwoch führt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg eine Anhörung über die Rechtmäßigkeit der Erfassung von biometrischen Fingerabdrücken für Reisepässe durch.
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9<!-- TEASER_END -->
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11Der Kläger rügt, daß die zwangsweise biometrische Erfassung ein Verstoß
12gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische
13Charta der Grundrechte in Fragen des Datenschutzes und der Privatsphäre,
14aber auch bei Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist. Weiterhin
15steht in Frage, inwieweit die biometrischen Merkmale überhaupt geeignet
16sind, eine betrügerische Verwendung von Pässen zu verhindern.
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18Der Chaos Computer Club (CCC) hatte bereits 2004 erfolgreich
19demonstriert, daß sich Fingerabdrücke fremder Menschen problemlos von
20Alltagsgegenständen abnehmen und zu verwendbaren Attrappen formen
21lassen, die die marktüblichen Fingerabdruck-Sensoren überlisten können.
22\[0\] Dem fraglichen Nutzen steht das erhebliche Risiko des
23unkontrollierbaren Abflusses der biometrischen Daten durch
24internationale Kooperation der Polizei- und Geheimdienstbehörden und
25technische Sicherheitslücken gegenüber.
26
27Das Verfahren vor dem EuGH entscheidet über die Zukunft der
28biometrischen Erfassung für über vierhundert Millionen Europäer und gilt
29als wesentliche Richtungsentscheidung für die europäische
30Sicherheitsgesetzgebung und die Frage, welche grund- und
31menschenrechtlichen Maßstäbe angelegt werden.
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33"Es geht im Kern darum, ob sinnlose Profitmaximierungsprojekte von
34Unternehmen der Biometrie- und RFID-Industrie den Vorrang haben sollen
35vor der Grundrechtecharta", sagte Frank Rieger, Sprecher des CCC. "Der
36Nutzen der Biometrie in Reisedokumenten ist nach wie vor vollkommen
37unbelegt."
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39Jeder kann ohne besonderes Fachwissen den die biometrischen Daten
40enthaltenden Chip in seinem Paß deaktivieren und damit dauerhaft das
41Auslesen der Daten verhindern. Der Paß bleibt weiterhin gültig ist, da
42eine technische Fehlfunktion des Chips nicht auszuschließen ist. Damit
43ist die Begründung der Erfassung und Speicherung mit dem Argument der
44Sicherheit völlig absurd.
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46Der CCC kämpft seit Jahren gegen die Abnahme und Speicherung der
47Millionen Fingerabdrücke. Er ist durch seine Sprecherin Constanze Kurz
48als technische Sachverständige vertreten.
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50 
51
52**Links**:
53
54- \[0\] Die Zwei-Minuten-Anleitung zum Fingerabdruck-Fälschen als
55 [Video](http://chaosradio.ccc.de/ctv001.html)
56- \[1\] [Rechtssache C-291/12 am EuGH](http://grin.to/4MbiI)
57- \[2\] [Meine Finger gehören
58 mir](http://media.ccc.de/browse/congress/2007/24c3-2346-de-meine_finger_gehoeren_mir.html)
59- \[3\] Materialsammlung Biometrie:
60 <http://www.ccc.de/de/campaigns/aktivitaeten_biometrie>
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62 
63
64**Hintergrund**:
65
66Ein Bochumer Anwalt klagt seit Jahren vor dem Verwaltungsgericht
67Gelsenkirchen gegen die Stadt Bochum. Er wollte seine Fingerabdrücke
68nicht abgeben, bekam daher keinen Reisepaß. Er will die Stadt Bochum nun
69verpflichtet sehen, ihm den Paß ohne Abdrücke auszustellen.
70
71Das lange untätige Verwaltungsgericht setzte nach fünf Jahren das
72Verfahren im Mai 2012 aus, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs
73der Europäischen Union zu wichtigen Fragen einzuholen: Ist Art. 1 Abs. 2
74der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gültig? Ist diese EU-Verordnung von
752004 rechtmäßig zustandegekommen? Verstößt die Verordnung gegen die EMRK
76(Art. 8) und die Charta der Grundrechte (Art. 8)?
77
78Der ursprüngliche EU-Kommissionsvorschlag enthielt nur eine freiwillige
79Aufnahme von Fingerabdrücken. Kurzfristig wurde in den Vorschlag dann
80jedoch eine verpflichtende Aufnahme aufgenommen, ohne das EU-Parlament
81erneut zu konsultieren. EU-Verordnungen sind verbindlich und gelten
82unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Daher verweist das deutsche
83Paßgesetz nur auf die EU-Verordnung (Par. 4 Abs. 3 PassG).