summaryrefslogtreecommitdiff
path: root/updates/2005/cccebit2005.md
blob: a589518b6d288178df69af4b906296e5fdf5fc31 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
title: CCCeBIT bei der Bundesdruckerei: Biometrische Merkmale in Ausweisdokumenten sind sinnlos, gefährlich und teuer
date: 2005-03-15 00:00:00 
updated: 2012-02-13 11:19:00 
author: admin
tags: update, biometrie, reisepass

Am heutigen Chaosdienstag verleiht der CCC auf der alljährlichen Nabelschau der IT-Branche (16 Uhr, Halle 7, Stand B36) den CCCeBIT-Award an die Bundesdruckerei. Der Anti-Preis für Datenkraken und Monopolbildung geht an die privatisierte
Bundesdruckerei als Umsetzer und Nutznießer der geplanten Einführung der biometrischen Erkennungsmerkmale in Reisedokumenten und Personalausweisen, verbunden mit unsicherer RFID-Technologie.


<!-- TEASER_END -->

Die Bundesdruckerei ist eine große treibende Kraft hinter der Einführung
von Fingerabdrücken und Funk-Chips in deutschen Reisedokumenten.
Offenbar soll durch den anstehenden Megaauftrag die fehlgeschlagene
Privatisierung des ehemaligen Staatsbetriebs doch noch zur Erfolgsstory
gemacht werden. Die Gesamtkosten die Ausgabe komplett neuer Pässe sind
noch völlig unklar, wenn auch eine [Studie im Auftrag des Büros für
Technikfolgenabschätzung beim Deutschen
Bundestag](http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab93.htm)
Anschaffungskosten von sechshundert Millionen Euro sowie laufende Kosten
von nochmals sechshundert Millionen Euro jährlich errechnete, mit der
Folge, daß ein Paß am Ende einhundertdreißig Euro kosten könnte. Diese
Kosten werden entweder direkt über die Gebühren bei der Ausstellung oder
indirekt über den Bundeshaushalt vom Bürger getragen werden müssen.

![schaubild
biomterie](http://dasalte.ccc.de/biometrie/Schaubild_Biometrie_Politik_und_Technik-small.png)\
[Link zur
Graphik](http://dasalte.ccc.de/biometrie/Schaubild_Biometrie_Politik_und_Technik-small.png)

Datenschutztechnisch ist das Vorhaben jedoch sehr zweifelhaft:

1\. Bisher hat die Regierung nicht darlegen können, wozu die BRD
Biometrie und RFID überhaupt braucht oder wie dadurch ein echter
Sicherheitsgewinn entstehen kann. Die Totalerfassung der Bevölkerung
bringt keinen Sicherheitsgewinn, schafft aber Risiken und
Begehrlichkeiten. Laut BMI und Bundesdruckerei sind schon die bisherigen
Personaldokumente praktisch nicht zu fälschen. Warum brauchen wir dann
noch ein neues, teures und riskantes System?

2\. Viele technische Verfahren zur Erfassung und Erkennung von
biometrischen Merkmalen können im Bezug auf den angeblichen Zugewinn an
Sicherheit als zweifelhaft bezeichnet werden. So lassen sich mit sehr
geringem Material- und Zeitaufwand beispielsweise viele
[Fingerabdruckscanner überlisten, wie der CCC vorgeführt
hat](/de/biometrie/fingerabdruck_kopieren.xml) und wie auch das
[Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
festgestellt](http://www.bsi.de/literat/studien/) hat. Das blinde
Vertrauen in die technischen Möglichkeiten gerade bei Biometrie wurde
mit der Zeit immer wieder von der Realität eingeholt.

3\. Die Wahl von kontaktlosen RFID-Chips zur Speicherung der
biometrischen Merkmale in den Ausweisdokumenten bringt das zusätzliche
Risiko mit sich, daß ungeschützte Daten vom Ausweisinhaber unbemerkt
ausgelesen werden. Das vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz
abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde bei der
Auswahl der Technologie offenbar vollständig ignoriert. Selbst wenn das
unbemerkte Auslesen der biometrischen Merkmale verhindert werden kann,
bleibt das Risiko des drahtlosen Verfolgens mittels versteckter
Lesegeräte bestehen.

4\. Es ist vollkommen unklar, ob der kryptographische Ausleseschutz von
biometrischen Daten vom Reisepaß als Datenträger sicher ist. Die bei der
internationalen Standardisierung von deutscher Seite aus vorgebrachten
sinnvollen Vorschläge zur Verschlüsselung sind für andere Staaten nur
optional. Es ist daher davon auszugehen, daß für Bundesbürger im Ausland
kein Schutz existiert.

5\. Grundsätzliche Fragen über das Verfahren und den Umgang mit den
neuen Dokumenten sind ungeklärt: Wer ist schuld, wenn der RFID-Tag nicht
mehr funktioniert? Ist der Paßinhaber dann ein Terrorist? Oder wird der
Inhaber dann wie bisher nach optischer Prüfung des Fotos durchgelassen?

Da die Bundesdruckerei, in Zusammenarbeit mit dem deutschen
Innenminister Otto Schily, in dieser Form die neuen Dokumente
durchdrücken will, bekommen sie den diesjährigen CCCebit-Award für ihre
Lobbyarbeit und gekonntes Ignorieren technischer Probleme in
Sicherheits- und Datenschutzfragen verliehen.

Der CCC fordert, auf den Einsatz zusätzlicher biometrischer Merkmale in
Pässen und Ausweisen zu verzichten. Sollte aus Gründen der
internationalen Interoperabilität auf die Einführung nicht verzichtet
werden können, muß vor dem Einatz ein öffentlich begleiteter Feldtest
mit der konkreten Reisepaßtechnologie und einer ausreichend großen
Nutzerzahl durchgeführt werden. Außerdem müssen die sensiblen
personenbezogenen Daten auf dem RFID-Chip verschlüsselt abgelegt und
deren Verwendung einer strengen Zweckbindung unterworfen werden.

[Die Forderungen des CCCs zur Einführung von Biometrie in
Personaldokumenten](/de/biometrie/forderungen.xml)

[Weitere Informationen dazu beim
C4](http://koeln.ccc.de/prozesse/running/cccebit2005/index.html)