Feiervolk

Gestern gab es statt Probe Musik anhoeren. Die Band von Susi hat das erste Mal live gespielt. Klassische Besetzung plus Geige und Bratsche. Interessante musikalische Basis (allesamt Musikstudenten), leider nur 3 eigene Songs zum Eindruck gewinnen.

Danach mit Ern und Freunden auf ein Volksfest. Bergmannstrassenfest. Auf Strassenfesten habe ich ja selber als Promotionhampel fuer das Berliner Abendblatt meine erste Miete verdient und stand da auch jedes Wochenende auf einem der sehr individuellen Feste herum.

Anfangs wurden diese von engagierten Kiezbewohnern organisiert, die ein wenig das Kennenlernen in ihrer Strasse vorantreiben wollten. Ich kann mich noch gut erinnern, wie 1995 auf dem Muellerstrassenfest der Besitzer der Brautmoden selber einen Bratwurststand betrieben und am Ende eigentlich alle Wuerste verschenkt hat.

Mit Volksfesten, eine Binsenweisheit, laesst sich aber Geld verdienen. Viel Geld. Man holt sich eine Strassensondernutzungserlaubnis beim Ordnungsamt, karrt eins, zwei Buehnen heran und vermietet die Strasse in Parzellen an fliegende Mampf-, Ramsch-, Blumen- und Ethnolaeden, laesst ein paar schlechter positionierte Buden fuer Amnesty International, Kinderschminken und die Lokalgazetten frei (damit die im Gegenzug laenglich dafuer werben) und fertig ist der Lack. Danach wird das Volk durch die den Konsumtunnel gepfercht, darf sein Geld links und rechts der Strasse lassen und sich freuen, was sein Kiez nicht alles auf die Beine stellt.

Mit diesem Konzept verdienen in Berlin unter anderem die Firmen Nareyka und Laubinger ihr Geld. An den 25 strassenfesttauglichen Wochenenden finden laut Bericht des Senats fuer Wirtschaft, Arbeit und Frauen in diesem Jahr 12 Feste von Nareyka und 10 von Laubinger statt. (Dazu kommen Weihnachtsmaerkte und Grossveranstaltungen wie die Loveparade.) Tendenz steigend.

Dankenswerterweise gibt es aber noch Organisatoren, die den Brand ihres Fests nicht so einfach abgeben, sondern weiter selbst organisieren, so dass die ueblichen Verdaechtigen Mampf-, Ramsch-, Blumen- und Ethnolaeden nicht immer mit den selben Verhandlungspartnern an den Tisch muessen, sondern ihre Bude bei den Kiezlern bezahlen. Das Kuchenbasar und Papa-grillt-selber Feeling kommt trotzdem nicht mehr. Das durfte ich naemlich genau bei dem Sommerhoffest dort erleben, wo Susis Band ihren Probenraum hat: das ganze Haus kramt all sein Zeug hervor, stellt selber ein Buehne auf. Resultat: Grillen und Kuchen, zwei Bierfaesser und mehrere nette Plaeusche. Mehr davon!

Gut. Ganz in Nostalgie zu versinken, macht natuerlich keinen Sinn, frueher sind die fahrenden Jahrmaerkte einmal im Jahr mit ihren Attraktionen und Mampf-, Ramsch- und Fahrgeschaeften in die Stadt gekommen und haben den Staedtern und Doerflern die Kohle aus der Tasche gezogen. Aber es tut schon immer wieder ein wenig in der Seele weh, wenn private Aktionen kommerzialisiert werden.

Eins habe ich aber beim in der Bergmannstrasse noch mitgenommen: Zuckerwatte. Das habe ich schon seit 15 Jahren nicht mehr genascht und da musste ich einfach zuschlagen. Und Zuckerwatte in der Wikipedia weiss ich jetzt auch, wie das eigentlich funktioniert.