Grundsatz
Ich entsinne mich an der Stelle mal des Grunds, weshalb ich dieses Blog ueberhaupt angefangen hab: es ist fuer mich. Ich wollte spaeter darauf schauen und nachvollziehen, wieso ich welche Entscheidung in meinem Leben getroffen habe. Ein Fotoalbum in meinem Kopf, und wenn es farbig genug ist, bei den Lesern Bilder hervorzurufen, die sie nicht gesehen haben, sollte es fuer mich in 40 Jahren auch noch reichen.
Nun gut. Ich habe das Blog vernachlaessigt. Wenn ich ehrlich bin, schon seit einem halben Jahr. Ich habe ab und zu Dinge geschrieben, bei denen es sich nicht vermeiden liess, sie zu bloggen. Aber eigentlich nichts, was ich nicht spaeter auch googlen koennte. Und gerade kulminiert so ein Stapel Dinge, die mich treiben.
Ich mag es nicht, das Gefuehl zu haben, von den Dingen einfach nur getrieben zu werden. Ich bin in eine neue WG gezogen und man kann es so sehen, dass ich etwas Neues ausprobieren wollte (stimmt), dass ich Lust hatte, mal in einer WG zu wohnen, in der man mehr als nur nebeneinander lebt (stimmt auch und kommt der Sache schon naeher). Man kann es aber auch so sehen, dass mir die zunehmend ungemaechliche Zusammenwohnsituation in meiner alten Wohnung am Ende nichts weiter uebrig liess, als das Experiment zu beenden.
Ein guter Freund hat mich gefragt, warum ich denn als Hauptmieter nicht einfach meinen Untermieter hinausgeworfen hab. Gute Frage eigentlich. Erst war ich verstoert, dass er meine Beweggruende nicht nachvollziehen kann. Dann war ich verstoert, dass ich es auch nicht kann. Es gab wohl einfach mehr Gruende zu fliehen, als zu bleiben.
Heute habe ich meine Wohnung uebergeben. Besser gesagt habe ich meinen Hausmeister im Zustand ueberrumpelt, in dem er zu betrunken war, noch ernsthaft Kritik am Zustand der Wohnung zu ueben, aber gerade noch nuechtern genug, um zu begreifen, was ich von ihm wollte. Beim Stromern durch die Zimmer sind Tretminen der Erinnerung losgegangen, wie sie auch in der ganzen Stadt verstreut sind. Nicht die, die einem sowieso kommen: erste eigene Wohnung, erste Zimmermannserfahrungen, Parties, erster Damenbesuch und sowas.
Ich mag noch ein wenig um den heissen Brei herumschreiben. Vor allem will ich wenigstens versuchen, die letzten Monate zu begreifen. Ich hab einen Urlaub mit Cryx selbstgebaut und wurde doch in drei Reisen geschubst (es gibt sogar Bilder.). Ich wurde von grossartigen Bandkumpels durch die abgefahrensten Erlebnisse manoevriert. Ich bin von einem coolen Chef in eine fantastische Firma gelockt worden. Ich bin zum Chefredakteur in einer Zeitschrift avanciert, weil ich mit einem in Wuerde (fast) erwachsen gewordenen (und hier gehen mir ploetzlich die Adjektive aus) Kumpel zum richtigen Moment am Fruehstueckstisch sass. Ich bin in eine Wohlfuehl-WG gestolpert, weil durch Zufall die richtigen Leute Single geworden sind. Ich bin Chefadmin in meinem bereits beschriebenen "Gute-Freunde-Server-Projekt" geworden, weil alle anderen keine Lust hatten, sich naeher damit zu beschaeftigen und ich das in den richtigen (oder falschen) zwei Wochen mal spannend fand.
Es ist Bloedsinn, dass es Momente sind, die das Leben veraendern. "Momente" sind Katalysatoren, sie stehen am Ende oder Anfang einer Entwicklung. Wie man mit den Ereignissen umgeht, ist, was das Leben ausmacht. Nein eher, was einen Menschen ausmacht. Und wenn ich mich einfach treiben lasse, dann koennen tolle Dinge passieren. Man tut aber nie die richtigen Dinge, um sie passieren zu lassen. Im Gegenteil. Da ich nie (oder zu selten) dafuer gekaempft habe, sie zu bewahren, konvergiert das Leben im Zustand groesstmoeglicher Entropie. In seinem Leben das zweite Gesetz der Thermodynamik bestaetigen zu wollen, ist nicht erfuellend.
Ich habe, in aktiver und passiver Position, erlebt, dass Menschen jemanden brauchen, der sie bei der Hand nimmt, ihre eigenen Traeume wahrzumachen. Man funktioniert also selber, mit einer gewissen Selbstsicherheit, als Katalysator. In besagter Zeitschrift genuegte zu sagen "man macht jetzt mal" und alle Mitstreiter taten mehr als 200% dessen, was eigentlich noetig gewesen waere.
Eines der Dinge, die mich haben nachdenken lassen, war, dass ich zum ersten Mal seit 15 Jahren meinen Schluessel zu hause hab liegen lassen. Ich bin nicht sonderlich ordentlich, verplane gerne Termine, nehme alle sich bietenden Fettnaepfchen mit... aber habe eine ausgewachsene Neurose meinen Schluessel betreffend. Wenn er sich nicht direkt an meinem Koerper befindet, heisst es, dass ich keine Hose anhabe. Gestern nun, zum denkbar unguenstigsten Termin (Wohnungsuebergabe, vorher noch malern, all das), fuehlt sich die Schluesseltasche einen Tick zu leicht an. Und alle Mitbewohner sind nicht erreichbar. Wenn es fuer mich ein Zeichen gibt, dass mein Leben gerade desynchronisiert ist, dann das.
Und heute abend gab mir dann ein Film den Rest. Mich liess das Gefuehl nicht los, jemand haette mein Leben verfilmen wollen und sich nur im Ende geirrt. Dort gab es naemlich ein happy end. Und nun habe ich endlich das Sprungbrett zu schreiben, was mich wirklich mitnimmt: Der Held im Film bekommt, trotz seiner Bloedheit, die wundervolle Rothaarige zurueck. Der Schreiber dieser Zeilen nicht.
Ich hab lange ueberlegt, wie ich es am wenigsten weinerlich klingend erzaehlen kann. Man nehme all die Zeilen diesen Eintrags und fuege sich sein Bild zusammen. Ich habe die Beziehung verspielt. Ja, diese eine. Die, die einen wohl noch 10 Jahre spaeter mit dem Kopf gegen die Wand schlagen laesst. Auf die selbe Art und Weise wie im Film. Einer kurzlebigen, langweiligen Oberflaechlichkeit geopfert. Auf der Jagd nach sich nie erfuellenden Versprechen, einer angeblichen Schoenheit.
Genug Stoff, einen aus der Bahn zu schubsen, genug Grund um zu fliehen vor den Erinnerungen und dem Hass auf sich selbst, der so beisst, dass er weh tut. Vielleicht eine Erklaerung fuer die Leere der letzten Monate. Ganz sicher jedoch ein dringender Anlass zu Reflexion und dem festen Vorsatz, sich meines Lebens wieder aktiv anzunehmen und nicht mehr nur der Dinge zu harren.
Stay tuned.