Kulturflatrate - Haben wir doch schon
Ich hatte heute auf dem Projekt-P die Freude, einer Diskussion ueber Filesharing beizuwohnen. Ich habe mich wirklich aufgeregt. Frank wohl auch. Nerds projezieren ihre tumbe Welt- und naive Gerechtigkeitssicht auf die Musikindustrie "jeder wuerde doch natuerlich freiwillig bei Konsum eines Kunstwerks dem Kuenstler Geld zukommen lassen, das Problem ist nur, dass es nicht geht". Die freiwillige Mitarbeit an freier Software wird zur Verpflichtung an alle ausgelegt, den selben Altruismus an den Tag zu legen.
Dass die Schranke der Privatkopie eine Anerkennung der Tatsache ist, dass eh alle kopieren und man im Ausgleich auf Kopiermedien Gebuehren erhebt, wird immer wieder unzutreffend in "das Gesetz gibt jedem das Recht, Kopien zu erstellen" umgedeutet. Wenn man halt nicht kopieren kann, weil der Hersteller das auf technischem Wege verhindert, fuehrt das auch dazu, dass man kein Kopiermedium einsaut. Passt irgendwie schon. Man muss die CD ja nicht kaufen.
Meines Erachtens geht es Kuenstlern zur Zeit so gut, wie nie in der Geschichte zuvor. Brotlose Kunst bedeutete ueber Jahrhunderte genau das: man ist im Zweifel verhungert. Heute sind Musiker auf der einen (zugegeben zahlenmaessig verschwindend geringen, aufmerksamkeitsoekonomisch aber sehr viel Raum einnehmenden) Seite Weltstars mit unverschaemten Einkommen.
Wenn die das in der Marktwirtschaft so hinbekommen, ist das total legitim. Die verkaufen aber nicht ihre Songs. Die verkaufen ein mehr oder minder muehsam konstruiertes Image, was unter anderem beim Musikverkaufen hilft. Wer andere Leute dazu bringt, ihm freiwillig rauhe Menge Kohle in den Rachen zu werfen, hat es verdient. So funktioniert das mit der Werbung. Und wenn man keine Songs als Daten mehr verkaufen kann, aber trotzdem stinkend reich bleiben will, muss man sich halt etwas anderes einfallen lassen. Die Gesellschaft kann nicht dazu da sein, den dekadenten Status quo zu erhalten.
Auf der anderen Seite leistet sich unsere Gesellschaft laengst eine Kulturflatrate. Wir leisten uns, dass niemand verhungern muss, der kein Nuetzling in marktwirtschaftlicher Sicht ist. Man kann gut und gerne 10 Jahre lang an seine Mal-, Gesangs-, Bildhauer-, oder sonstigen kulturellen Skills arbeiten, kostenlos lernen bis der Arzt kommt (OT: was gerne uebersehen wird: man kann auch ohne Studiengebuehren an der Uni etwas lernen, man bekommt halt nur keinen Abschluss dafuer) und wird trotzdem gefuettert. Wenn man im Kapitalismus nicht mitspielen moechte, hat man daher gerade die Moeglichkeit dazu, wenn man es jedoch will, muss man halt die Spielregeln befolgen und etwas "Nuetzliches" tun.
Ein Weg, mit dem Problem "Bezahlen von Musikern" umzugehen, koennte sein, dass man zum Dienstleistungsgedanken zurueckkehrt: solange es keine Neurorecordings gibt, ist ein Livekonzert mit vielen gleichtickenden Leuten um einen herum um Groessenordnungen geiler, als der Konsum im Zimmerchen auf Anlage, allein. Songs auf Platte oder im Netz koennten/sollten Werbung fuer die kostenpflichtige Teilnahme am Konzert sein. Oder Werbung fuer die Marke Kuenstler, der sich dann in Waschmittelspots Schmerzensgeld fuer die Entwuerdigungen verdienen kann, oder anderen Leuten fuer Geld die Erlaubnis gibt, Flauschpueppchen oder Poster mit seinem Conterfait zu verticken.
Natuerlich funktioniert das fuer unansehnliche, ausgewiesene Studiomusiker nicht, die einzig ueber den Verkauf der Verwertungsrechte fuer die Stuecke an sich angewiesen sind. Um aber auf die geschichtlichen Parallelen zurueckzukommen: dann muss man sich halt einen Maezen suchen, oder wie es Funny van Dannen so treffend ausdrueckte: "es muessen ja nicht alle gluecklich sein".