Die Beerware-Lizenz
Ich schreibe ja schon seit einer geraumen Weile Software. Vieles von dem, was ich in meinen Anfängertagen schrieb, ist zum Glück vom gnädigen Gott der verrottenden Bits aus der Digitale gewaschen worden. Floppies und Backupschludrian waren hier die Auslesewerkzeuge. Ein Segen, den die Kids von heute übrigens nicht mehr erfahren. Vieles, was gewiß nicht einmal das Licht der Öffentlichkeit erblicken hätte sollen, findet ja inzwischen Produktiveinsatz. Damals, in meiner "guten alten Zeit" hätte der Verlust des Quellcodes aber nicht den Schaden bedeutet, den er heute so anrichtet. In der Szene, in der ich programmierte, lasen wir die Programme ja eh im Disassembly – eigene und die anderer Leute. Es kam dabei vor, daß ich mich über einige besonders umständliche Konstrukte wunderte, die ich in so analysierter Software vorfand, das Konzept von höheren Programmiersprachen und Compilern kam für mich überraschend. Programmierer fanden aber auch händisch Mittel und Wege, das Lesen des Codes mit dem Disassembler trickreich zu erschweren. Es war wichtig, sich auf Parties zusammenzufinden, mit den für Demos programmierten Effekten zu beeindrucken, sich beim Kaltgetränk über die Kniffe und Erfahrungen auzutauschen – und natürlich zu prahlen.
Seitdem hat sich einiges geändert. Die meiste Software, mit der ich lesend und schreibend zu tun habe, ist inzwischen selbstverständlich im Quellcode verfügbar. An bestimmter Software darf man überhaupt nicht mehr entwickeln, ohne die Quellen ebenfalls zu veröffentlichen. Zu manchem Projekt ist heutzutage Lizenzslalom ein signifikanter Anteil am Zeitbudget geworden. Ich finde das nicht gut. Kids sollten lieber ihre Skills im Programmieren verbessern, statt zu Möchtegern-Lizenz-Anwälten zu verkommen. Einige Entwicklungen sind auch auf der Festplatte besser aufgehoben als auf github oder sourceforge.
An die Benutzung meiner Open-Source-Software stelle ich eigentlich nur zwei Bedingungen: Veröffentliche die nicht unter deinem Namen, und wenn du brauchbar findest, was ich schrieb, dann triff dich mit mir zum Schwank auf ein Bierchen. In der Vergangenheit ist dies schon 1987 (laut eines unbestätigten WP-Gerüchts angeblich von einem gewissen John Bristor) als Beerware-Lizenz kodifiziert worden und wird von Poul-Henning Kamp als einem der bekanntesten Vertreter der Autorenzunft bemüht. In der Vergangenheit hat mir diese Lizenz schon einige feucht-fröhliche und vor allem gesprächsreiche Abende beschert.
Während ich mich wahrlich nicht beschweren möchte, Pakete mit Bier in meinem Postfach vorzufinden – zuletzt hat eine Shirtdruckerei die Lizenz "eingelöst", für Nickis mit dem von mir entworfenen und unter der Beerware veröffentlichten Logo des Alternativlos-Podcasts bekam ich drei Fässer Bier zugesendet – sollte der eigentliche Zweck nicht aus den Augen verloren werden. Wer meine Software gebrauchen kann, treibt sich wahrscheinlich auch in der selben Nische herum, wie ich. Sich da auf ein Bier zusammenzusetzen, erfüllt dabei mehrere Zwecke: Ad 1: ich habe den direkten Feedback zu meinen "Kunden". Ad 2: Ich kann einem selbstgesteckten Bildungsauftrag gerecht werden, aus erster Hand von Fehlern und Irrwegen erzählen, die nicht den Weg digitaler Aufzeichnungen finden sollten. Ad 3: Zwei offensichtlich computeraffine werden zu sozialer Interaktion angehalten. Ad 4: Es fließt Bier. In der Lizenz ist nämlich nicht festgehalten, wer das Bier bezahlen soll. Ich möchte mich nun auch nicht von dankbaren Mithackern aushalten lassen. Und so floß dann bisher auch traditionell das Gros des mir eingeschickten oder auf die Bühne transportierten Biers direkt als Freibier zurück in die Community.
In diesem Sinne: Prost.