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1.. title: Bezahlwand
2.. date: 2015/10/24 20:34:56
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4In einem gar nicht so weit entfernten alternativen Zeitstrahl:
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6Es ist Samstag morgens. Wie gewohnt bin ich mit meiner Schubkarre zum Zeitungskiosk, um mir die Wochenendausgabe zu holen. In letzter Zeit ging es den Printmedien nicht so gut, ich weiß. Aber so langsam bin ich doch genervt.
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8Gut, dass die Werbeeinlagen immer mehr wurden, um den massiven Verfall der Kioskkunden und Abonnenten aufzufangen, kann ich verstehen. Guter Journalismus ist eben teuer. Klar, auch die Hochglanz-Binder in Quellekatalog-Stärke halten für mich viele interessante Produktinformationen bereit. Ein wenig zeitraubend ist das Blättern durch die auf bis zu mehreren Dutzend Werbeblätter verteilten redaktionellen Beiträge schon, sicher. Für die inzwischen mit 127 dB krakelenden Bordellwerbegrußkärtchen mit lasziven Stöhne-Aufnahmen habe ich mir so Schallschutztütchen besorgt. Wegen der Nachbarn und der Kinder. Und die kleinen schwarzen unauffälligen Beileger, wo die Stereoanlage dann immer so buppert, also diese Beileger mit den Löchlein, die angeblich Fotos von der Kreditkarte nach China schicken, da scheint die schwarze Sichtschutzfolie nicht mehr zu helfen, die ich normalerweise drumgewickelt habe. Dafür kommen die jetzt gleich mit Bleiakkus, damit die Röntgenautomatik und das Satellitenmodem genug Saft hat – daher die Schubkarre.
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10Nun, hier hätte ich mir schon langsam gewünscht, ich hätte den ganzen Werbekram am Kiosk in den Müll werfen dürfen. Hat aber das Beugegericht Hamburg vor fünf Jahren verboten. Gut, da konnten sie auch nicht ahnen, dass das Druckpapier der Broschüren Krebs auslösen kann und lauter Gimmicks ungefragt Bilder in alle Zimmerecken projizieren und den Sender auf der Stereoanlage verstellen können. Und immer wenn man beim Umblätter einen der um den ganzen Rand drapierten "Jetzt kostenpflichtig bestellen"-Knöpfe berührt, steht keine zwei Minuten später das Inkassounternehmen für das angelieferte und gleich wieder abgeholte Luxussofa vor der Tür.
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12Das passiert immer häufiger, seit der Pupillen-Tracker gleich eingebaut ist. Damit wird überprüft, ob ich auch vor dem Weiterblättern mindestens auf drei Produktinfos geschaut habe, sonst kann man ja sowieso nicht weiterlesen.
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14Naja, und dass einige besonders schlecht gelötete Exemplare ab und zu mal Wohnungen niederbrennen, muss man im Zweifel in Kauf nehmen, um für unsere Nachrichtenlandschaft und den unaufhaltsamen Informationsdrang des Kapitalismus das Schmiermittel bereitzustellen.
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16Aber das ist eben der Preis, wenn alle anderen keine Lust mehr haben, für gut recherchierte Artikel auch zu bezahlen.
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1.. title: Markt und Fürst
2.. date: Sat, 31 Oct 2015 21:41:08 +0100
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4Nun hat es auch `den Chaos Computer Club erwischt <https://unthoughted.wordpress.com/2015/10/31/apple-verbietet-inhalte-vom-chaos-computer-club-auf-ihrer-plattform/>`_. Nicht nackte weibliche Brüste, `Schimpfwörter <http://www.macworld.com/article/1139316/tweetie_rejection.html>`_, `das Angebot von Funktionalität, die Apple auch gerne anböte <http://betanews.com/2008/09/22/one-more-iphone-app-rejected-for-duplicate-functionality/>`_, sondern schwammige Ausreden über "Informationen, über das Hacken von Apples Betriebssystem" waren Auslöser, eine bequemere Abspielmöglichkeit für Mitschnitte unserer Congresse zu verbieten, als beispielsweise youtube oder Safari es wären (die ironischerweise die selben Filme abspielen können, ohne aus dem Store zu fliegen).
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6Die hochnäsige Selektionspolitik von Apple auf seinen Marktplätzen hat der Firma ja schon `eine eigene Wikipedia-Seite beschert <https://en.wikipedia.org/wiki/Censorship_by_Apple>`_ und noch immer gibt es `Apologeten <https://twitter.com/AnnLe__/status/660510713207767040>`_, die Apple Narrenfreiheit auf ihrer Plattform zugestehen wollen. Ich will mich am juristischen Gekloppe gar nicht groß beteiligen, sondern ein paar Denkanstöße aufschreiben, bevor ich sie wieder vergesse.
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8Szene 1: Vor einiger Zeit gab es bei den traditionellen Straßenfesten eine Konsolidierung: Eine Event-GmbH übernahm Planung, Standanmeldung und Durchführung einer beträchtlichen Anzahl dieser Veranstaltugen. Würde man dem Betreiber zugestehen, nach Gutdünken NGO wie Greenpeace die Anmietung eines Standplatzes verbieten zu lassen?
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10Szene 2: Durch die Vermallung der Innenstädte ist der freie Zugang zu Angeboten der sozialen Grundbedarfsdeckung wie Kino, Buchhandlungen, der Post oder gar Zugängen zum ÖPNV in Konflikt mit Interessen der Betreiber solcher halböffentlichen Räume getreten. Kann der Betreiber der Mall nach Gutdünken Hausrecht durchsetzen und Einzelnen den Zugang zu den Angeboten verwehren?
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12Mehr noch: Kann und darf der Betreiber der Mall Einfluß auf Angebote und Auslagen der Geschäfte nehmen? Ist das Konzept des öffentlichen Raums eine sozialromantische Utopie des zwanzigsten Jahrhunderts? In wieweit sind die auf Immersion optimierten Portale und Digitalgut-Großmärkte als Digitalanalogie einer Mall zu vergleichen? Sind beim Betrieb durch Multinationale automatisch moralische Befindlichkeiten der Heimatländer eines Unternehmens maßgeblich?
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14Szene 3: Ein Zeitungsgroßhändler ist in einer investigativen Recherche einer Zeitung nicht so gut weggekommen und beschließt nun, den Verlag in seinen Verteilgebieten nicht mehr zu führen. Weder Verlag noch potentielle Zeitungsleser haben ein Anrecht auf Zustellung, oder? Meine Plattform, meine Regeln? Wenn ich groß genug bin, einem signifikaten Anteil der Benutzer meiner Plattform die dargebotenen Inhalte zu diktieren, kann ich ja nach Belieben die Realität formen, richtig? `Nein. <https://de.wikipedia.org/wiki/Presse-Grosso>`_
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16Keine einigermaßen funktionierende Wirtschaft kann es sich lange erlauben, bedeutende Marktplätze unreguliert zu lassen. Aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit in Deutschland sind diverse Einschränkung für die Märkte abgeleitet worden, um gerade kleineren und aufsteigenden Betrieben den fairen Zugang in etablierten Marktplätzen zu ermöglichen und nicht wegelagernden Kleinstfürsten wachsenden Neulingen den Saft ausquetschen zu lassen. Wenn mehrere Großbetriebe aus den USA versuchen, in Deutschland großes Geschäft zu machen, werden sie sich wohl oder übel auch an lokalen Grundrechten orientieren müssen.
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18Es ist meine Hoffnung, daß horizontal so breit aufgestellte Krämerläden wie Apple, Google und Amazon, die durch Disruption alter Marktstrukturen großgeworden sind, nicht nach Belieben alle "Handelsbarrieren" abbauen dürfen. Gewiß, einige Regeln müssen im Lichte neuer technischer Entwicklungen neu ausgehandelt werden. Ein Großteil dieser Barrieren sind über Jahrhunderte ausgehandelt und absichtlich etabliert worden, um den schwächeren Einzelnen vor konzentrierter nicht-staatlicher Macht zu schützen. Die durch "Marktregeln" formalisierte moralische Werte sollten gesellschaftlich ausgehandelt werden, nicht global aufgewungen. Allen sozial oder wirtschaftlich wirkenden Teilnehmern sollte Teilhabe am Markt der Ideen und Produkte gewährt werden.
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1.. date: 2015/10/20 01:30
2.. title: Warum ich nicht rauche
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4In letzter Zeit ist das Belehren von Minderheiten über die Fehlerhaftigkeit ihres anachronistischen Tuns in bestimmten Communities en vogue geworden:
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6* Fleischlappenkonsum? – Go vegan!
7* Alkoholkonsum? – Straight edga!
8* Kraftfahrzeug mit Verbrennermotor? – Werde Kampfradler!
9* Festanstellung? – Crowdfunded Lattetrinker!
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11Und dann ist da natürlich die Unsäglichkeit des Nikotinkonsums inklusive der Zwangsbeglückung der Umstehenden, der eigentlich schlimmsten Schnorrer: den Passivrauchern, die unisono ihre Überlegenheit mit passiv-aggressivem Gehuste und den heroischen Geschichten des vierwöchigen kalten Entzugs demonstrieren müssen. Auch ich huste meist. Verdeckt.
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13Meine Geschichte ist einfacher. Nicht so glamourös, aber nachvollziehbar. Ich war neun. Meine Mama ist Lehrer für Mathematik in mehreren Klassenstufen. Bei den unter sechzehnjährigen war es Aufgabe der als Pausenaufsicht bestimmten Lehrer, Zigarettenschachteln zu konfiszieren und für die Herausgabe an die Erziehungsberechtigten aufzubewahren. Aus diesem Grunde befand sich in der Genussmittelsektion der Schrankwand meiner Nichtraucher-Eltern eine wohlsortierte und mit Herkunftszettelchen beklebte Sammlung von Tabakwaren.
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15Ich war neun. Und allein zuhause. Und am Erkunden der Wohnung. Ich fand die Schachteln. An einer dieser Schachteln bediente ich mich, kombinierte die stibitzte Zigarette auf dem heimischen Balkon mit einem Streichholz und nahm einen kräftigen Zug. Nichts passierte. Ich nahm einen noch kräftigeren Zug und voller Stolz einen *noch* kräftigeren Zug. Immer noch nichts.
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17Die kolportierte Coolness des nikotinkonsumierenden Heldens klebte schon förmlich an mir, bis ich bemerkte, dass mein Streichholz nicht gezündet und ich nur massiv Nebenluft geschnorchelt hatte. Nach dem erneuten – nun erfolgreichen – Zündens meines Streichholzes erglimmte die Zigarette wirklich und mit der selben Verve wie beim letzten Kaltstart saugte ich einen saftigen Lungenzug f6 in meine unvorbereiten Bronchien, der mich instantan nach hinten umkippen ließ. Mehrere nicht näher erforschte vegetative Aussetzer des Gastrointestinaltrakt beförderten zu beiden Enden größere Mengen Materials nach außen, von denen mein Körper annahm, er könne mit dem aktuellen Unwohlsein in Zusammenhang stehen.
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19Mit viel zu kleinen Pupillen, Kopfschmerzen, Übelkeit und von oben bis unten besudelt mit allen erdenklichen eigenen Körperflüssigkeiten litt ich noch mehrere Stunden vor der eigenen Uncoolness kapitulierend über dem elterlichen Klobeckenrand.
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21Präpariert mit dieser Erfahrung erschien mir einige Jahre später die mit dem impliziten "Coolness"-Versprechen offerierte Zigarette auf dem Schulhof wie ein Hohn. Traumatisiert von den vor meinen Augen aufglimmenden Erinnerungen des gescheiterten ersten Annäherns an diese Droge fiel mir die Ablehnung unter diversen fadenscheinigen Ausreden nie schwer.
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23Wahrscheinlich hat mir die Erfahrung mehrere tausend Euro und diverse Lebensjahre gespart. Die Gelegenheit, am eigenen Leib einen Nikotin-Entzug durchzuziehen, hat sie mich auch gekostet. Daher werde ich weiter abstinent hüsteln. Aber nicht werten.