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.. date: 2016/11/21 19:50
.. title: Von Besuchern und Teilnehmern
Das Boot ist voll! Die Hackerszene wird überlaufen von lauter „Möchtegernhackern“. Im Hackcenter leuchten angebissene Äpfel statt Pinguinen. Und jetzt nehmen uns diese ganzen Hipster noch die Arbeits^WKonferenzplätze weg – und die können noch nicht mal Assembler! Wer nicht mal unsere Sprache lernen will und sich selber einen Vorverkaufs-Bot hacken kann, was will der überhaupt auf dem 33C3!??! Wo sind die goldenen Zeiten geblieben, als man noch wer war, noch unter sich? Und im Hackcenter gab's Pornos zum Tauschen! Und dann hält eine Frau die Keynote?! Und noch eine aus Afrika? Und programmieren kann die auch nicht! Der CCC war mal Club und Veranstaltung, da ging es um Computer!
Oder?
Ich kann das Gemaule abgehängter und abgehalfterter Möchtegern-„Hacker“, die in ihrem Leben außer dem regelmäßigen Installieren ihrer Lieblings-Linux-Distribution wenig Nerdiges hinbekommen haben, nicht mehr hören. Wer meint, der CCC definiere sich hauptsächlich über Computer, Hard- und Software, hat die Historie des Vereins nicht verfolgt. Beim ersten öffentlichen Hack, dem HaSpa-Hack, ging es nicht primär darum, dass die Nerds super programmieren konnten. Es ging immer darum, über den Tellerrand hinauszublicken, Wissen in Erfahrung umzusetzen und Transferleistungen aus anderen und in andere Wissensgebiete zu erbringen. Nicht umsonst heißen die CCC-Dezentralen „Erfahrungsaustauschkreise“. Die Arroganz, Nerds gäbe es quasi nur durch und mit Keyboard, die sich da durch Twitter und Heise-Foren wabert, ist erschütternd. Ich glaube ja, erst der Zuzug von und die Öffnung hin zu den wahrhaft Begabten aus anderen Disziplinen hat den Computer-Hackern die gesellschaftliche Relevanz eingebracht, derer wir uns jetzt rühmen. Und der Austausch ist auch für uns Keyboard-Nerds fruchtbar: Gestalter machen unsere Software nutzbar und ansehnlich. Das Wissen von Generationen von Projektplanern macht unsere Software überhaupt erst fertig. Und erst der Bedarf der Welt an diverser Software FÜR alle Fachbereiche ermöglicht es uns, aus unserem Hobby ein Auskommen nach Hause zu tragen.
Historisch betrachtet hat sich das Internet zum mächtigsten Werkzeug der Nerds aller Wissensgebiete gemausert: Denn um vor zwanzig Jahren Gleichgesinnte in seinem Orchideenfach zu finden, musste man entweder zu teuren jährlichen Fachkonferenzen fahren oder sich mit den vom Munde abgesparten Fitzelchen an Fachliteratur Zugang mühsam selber erschließen. Und ja, anfangs war dabei schlicht das Medium die Nachricht. Damals war man eben was Besonderes, wenn man „was mit Computern macht“. Heutzutage ist man eben was Besonderes, wenn man nix mit Computern macht. Deal with it. (Und wenn wir ehrlich sind, drehte sich auch damals die Hälfte dieses Internets um die Soap-Operas mit James T. und Jean-Luc.)
Wer wirklich Hardcore-Security-Nerds beim Blackhatten begaffen will, für den sind da draußen dutzende Kommerzkonferenzen gewachsen. Das ist aber nicht der Grund für das Wachstum des Congress. Wir haben – ganz im Gegenteil und als Realwelt-Spiegel des Internets – eine nichtkommerzielle Vision unserer Zukunft aufgebaut, in der man auch und gerade als Orchidee willkommen ist, solange man teilnehmen und nicht nur besuchen will. Wir finden uns als Teilnehmer mit einem Hacker-Mindset zusammen, die sich in allen Fachgebieten wiedererkennen. Man sehe nur in den Track „Science“: Sogar aus der drittmittelverseuchten und publikationsnormierten Academia können wir freudig Agrar-Nerds gewinnen, die sich ihre Meriten buchstäblich durch Arbeit verdient haben und diese auf dem Congress mit anderen teilen wollen.
Statt laut pöbelnd einen Altnerd-Brexit zu fordern, müssen wir die Arme weiter aufhalten und unseren Hacker-Kultur-Raum arroganzfrei allen anderen Nerds zum Kopieren vorleben.
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