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.. title: E-Lok Paula
.. date: 1999/12/01
.. tags: poetry
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Und da saß ich nun im Bummelzug von New York nach Idar Oberstein, nachdem ich gerade erfolgreich am Ärztekongreß über postmortale Harninkontinenz teilgenommen & natürlich alle in Grund & Boden debattiert hatte. Alles lief seinen üblichen Gang: kurz vor Einfahrt des Zuges war meine Tasche auf die Gleise gefallen, weshalb mein neu erstandenes Vibratorset jetzt leicht verbogen ist, zwei Mexikanerjungen, die für ein geringes Bakshish Koffer für die Reisenden tragen, verloren ihr Leben, als sie sich im Kampf um meinen Rollcontainer gegenseitig gegen die Hochspannungsleitungen warfen & der Lokführer schoß uns den Weg durch den Pöbel frei, der keine Platzkarte bekommen hatte. Der Pöbel zog 'ne Flappe & verstreute sich dann.

Doch nun saß ich gemütlich im Zug, probierte alle meine neuen Deosticks aus & erfreute mich an der Zugluft, als eine Stewardeß bestürzt durch mein Apartment stolperte & schrie: "Sie muß verrückt geworden sein... zur Hülf!" worauf sie durch mein offenes Kellerfenster nach jenseits der Gleise sprang. Aber weit gefehlt.

Niemand war verrückt geworden, es lagen nur gehörige Mißverständnisse vor, aber dazu später dann mehr. Plötzlich kam ich, um den Faden wieder aufzunehmen, auf die Idee, meine Geschichte nicht mehr in der Vergangenheitsform zu erzählen & das tue ich nun. Ich werde also, um die Spannung aus dem Plot zu nehmen, dorthin laufen, woher die aufgeregte junge Dame gekommen sein wird & dort feststellen, daß erstens ich barfuß in einer Ölpfütze stehe & zweitens die Kuhüberreste, die sich am seitlichen Fenster langsam in einer der Fahrtrichtung entgegengesetzten...  äh Richtung entlang schleifen lassen werden, darauf hindeuten können würden, daß mit der 293,70 Euro teuren Zugfahrt etwas nicht stimmen wird. Ich vermute später nachdem ich mit dem Futur ebenfalls gebrochen habe, daß sich der Grund hierfür im Speisewagen befände; nach einer Odyssee durch Nicht- & - Raucherabteils, Bordtelefone, verschiedene Kulturmetropolen & ein heruntergekommenes Fischgeschäft würde ich aber eines Besseren belehrt: Ich träfe nämlich den Lokomotivführer, der mir erklärte, mein Konjunktiv wäre zutiefst unpassend & die Lok spielt verrückt. Ich schleiche mich also in den Führerstand, weiche eins, zwei entgegenkommenden Ampeln aus, die Ölflecke an meine Füßen ein & frage die Lok entspannt, was los sei. Sie erwidert, von mir jetzt kurz zusammengefaßt, ihre Probleme seien größtenteils sexueller Natur (was ich ihr natürlich nicht glaube) worauf das gesamte Publikum grölt. Daraufhin ist sie noch beleidigter & setzt gerade an, die Schneise die sie eben in den Wald wälzt, Richtung Fluß zu lenken, als ich aus dem gerade heimlich hervorgekramten Führer zum "Umgang mit manisch depressiven Triebfahrzeugen" die einfühlsamen Worte "Erzähl mir doch deine Geschichte" vorlese. Das lenkt die Lok für ein paar Sekunden ab & noch bevor sie ihre halbfertigen Memoiren zur Hand hat, kann ich einen Selbstzerstörungsmechanismus installieren & abspringen.  Als Paula, so hieß laut dem Aufdruck auf ihrem Tagebuch, auf das ich einen heimlichen Blick erhaschen konnte, die Lokomotive, also als Paula klar wird, was geschehen war & in Ermangelung von Extremitäten Extremisten beauftragt, den Selbstzerstörungsmechanismus in die Luft zu jagen, diese jedoch Geld & Plutonium dafür verlangen & das Wochenbudget von Paula ausgeschöpft bzw. ihre Coupons längst verbraucht sind, versprach sie, jetzt vernünftig zu sein, auf die Schiene zurückzukehren & durch Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit den Fahrplan wieder einzuhalten. Ich bekomme langsam Mitleid & wieder einen präteritativen Schreibstil, jedoch waren die voreingestellten 5 Minuten bereits um & noch bevor ich die timbuktische Nationalhymne zum Entschärfen der Gravitonenbombe hätte zu ende pfeifen können, flogen mir die Memoiren einer E- Lok namens Paula um die Ohren.

Ich überflog sie rasch, anscheinend hatte Paula mir, zumindest der letzten Eintragung nach, bereits vergeben & ich fand endlich den Grund für ihre Traurigkeit. Der innige Körperkontakt mit anderen Lokomotiven, den Paula brauchte, hätte bei den für sie typischen Geschwindigkeiten verheerende Folgen gehabt & war ihr deswegen verboten worden, so steigerte sich ihre Depression von Tag zu Tag & gerade heute wurde es ihr zuviel & eigentlich hatte sie bis zum Zeitpunkt meiner Intervention vor, das Lokomotivmuseum in Klein Aaknach zu besuchen, in das sie nun, aufgrund meiner Bemühungen gebracht wurde, in Einzelteilen, natürlich... Den Schornstein dürfte ich als Andenken behalten... wenn es eine Dampflok gewesen wäre. Er schmückte dann heute den Tisch meines Verteidigungsministers.

Aber so...

                                                 Karl G.