summaryrefslogtreecommitdiff
diff options
context:
space:
mode:
authorandy <andy@ccc.de>2013-05-07 12:11:38 +0000
committerandy <andy@ccc.de>2020-05-23 13:39:26 +0000
commite9d9ca9734dad57e791a113653a9ab3cf65631ec (patch)
treed748e84b279d56f4034f488e74a6209fdd666ca7
parent985a83c762d8eaf21e681d110d8b0771e132f4fe (diff)
committing page revision 1
-rw-r--r--updates/2013/neues-vom-prozess-polizeigewalt-im-rahmen-der-fsa09.md129
1 files changed, 129 insertions, 0 deletions
diff --git a/updates/2013/neues-vom-prozess-polizeigewalt-im-rahmen-der-fsa09.md b/updates/2013/neues-vom-prozess-polizeigewalt-im-rahmen-der-fsa09.md
new file mode 100644
index 00000000..1e4f9b9e
--- /dev/null
+++ b/updates/2013/neues-vom-prozess-polizeigewalt-im-rahmen-der-fsa09.md
@@ -0,0 +1,129 @@
1title: Neues vom Prozess: Polizeigewalt im Rahmen der FSA09
2date: 2013-05-07 08:47:00
3updated: 2013-05-07 12:11:38
4author: andy
5tags: update, fsa09
6
7Der vom Chaos Computer Club (CCC) dokumentierte polizeiliche Übergriff gegen einen Demonstrationsteilnehmer im Rahmen der Demonstration "Freiheit statt Angst" am 12.09.2009 ist derzeit Gegenstand einer Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Berlin, da sowohl die verurteilten Polizisten als auch der Geschädigte gegen das ursprüngliche Urteil Berufung einlegten. Auch wenn dem Geschädigten schon zivilrechtlicher Schadensersatz zugesprochen wurde, entsteht der Eindruck, das Landgericht wolle die beklagten Polizisten jetzt freisprechen.
8
9Um der interessierten Öffentlichkeit den notwendigen Einblick in die Sachlage zu verschaffen und die grotesk vom Geschehenen abweichenden Stellungnahmen der Polizisten zu beleuchten, dokumentieren wir hiermit die Stellungnahme des in dieser Sache auch vom CCC unterstützten Rechtsanwalts Johannes Eisenberg.
10
11
12<!-- TEASER_END -->
13
14**Pressemitteilung von RA Eisenberg vom** **07.05.2013** **263/09 eis**
15
16 
17
18**Neues vom Fall des Radfahrers mit blauem -T-Shirt,**
19
20**Opfer von Polizeigewalt am Rande der Demonstration**
21
22**„Freiheit statt Angst“ am 12. 9. 2009**
23
24**Berufungsverhandlung gegen gewalttätige Polizisten läuft seit dem 19.
254. 2013 - Landgericht Berlin 564 – 93/12**
26
27**hier: Sache des  Nebenkläger Dr. H.**
28
29 
30
31Nächster Fortsetzungtstermin: 10. Mai 2013, Kriminalgericht Moabit, Saal
32noch unbekannt
33
34 
35
36Sehr geehrte Damen und Herren,
37
38 
39
40möglicherweise stehen die Polizeibeamten vor einem Freispruch.
41
42Am 12. 9. 2009 fielen zwei Polizeibeamte über Herrn Dr. H. her. Der eine
43(„Reißer“) riß ihn am T-Shirt, warf ihn dem anderen („Schläger“)
44entgegen, der ihn mit einem vollen Faustschlag ins Gesicht traf. Der
45„Reißer“ griff ihn mit der Hand in den Mund, zerrte an den Lippen und
46streckte ihn mit einem weiteren Faustschlag zu Boden. Das alles zeigt
47eine Videoaufnahme, die noch am 12. 9. 2009 in den Abendnachrichten im
48Fernsehn die Öffentlichkeit schockiert hat.
49
50Die Folgen dieses mittäterschaftlich begangenen Angriffs der beiden
51Polizeibeamten sind laut  gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr.
52Tsokos vom 14. 9. 2009 und den Protokollen der behandelnden Ärzte:
53*„Unterlippe zerrissen, mußte genäht werden. Oberlippe zerrissen und vom
54Kiefer abgerissen, sie mußte genäht werden. In der linken Schläfenregion
55mehrere zwischen 1 und 2,5 cm durchmessende rötliche Hautabschürfungen,
56diskrete Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit; im Bereich der
57rechtsseitigen behaarten Schläfenregion eine in Längsrichtung gestellte,
582 cm messende oberflächliche Hautabschürfung und Weitere.“*
59
60Gegen das Urteil erster Instanz, mit dem beide Polizeibeamte zu je 120
61Tagessätzen a 50.- € Geldstrafe wegen Körperverletzung im Amt verurteilt
62wurden (AG Tiergarten 263a Ds 96/10) haben alle Beteiligten Berufung
63eingelegt. Die Nebenklage verlangt die Verurteilung wegen gefährlicher
64Körperverletzung, weil die Polizeibeamten gemeinschaftlich gegen den
65Nebenkläger vorgegangen sind, die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der
66Strafe (sie hat ihr Rechtsmittel beschränkt), die Verteidigung weiter
67Freispruch.
68
69Die Polizeibeamten beschränken sich darauf, vorgefertigte Erklärungen
70verlesen zu lassen. Fragen beantworten sie nicht.
71
72Der „Reißer“ macht geltend, er habe den Platzverweis eines anderen
73Polizisten durchsetzen wollen, dagegen habe sich der Nebenkläger
74gewehrt, sodaß er zur Durchsetzung des Paltzverweises einfache
75körperliche Gewalt und einen Nasenhebeldruck habe einsetzen müssen.
76
77Der „Schläger“ macht geltend, er habe den Nebenkläger nicht schlagen
78wollen, sondern eine andere Person, die versucht habe, den Nebenkläger
79„gefangenen zu befreien“. Dabei habe er den Nebenkläger unbeabsichtigt
80getroffen, als dieser den Kopf in seine Schlagbahn bewegt habe.
81
82Am 3. Mai wurde der vor Ort eingesetzte Vorgesetzte der beiden
83Polizeibeamten gehört. Er hielt deren Vorgehen für rechtmäßig: Der
84Nebenkläger habe sich nicht in die ihm gewiesene Richtung bewegt, um den
85ihm ausgesprochenen Platzverweis zu befolgen. Der Angeklagte „Reißer“
86habe danach das Recht gehabt, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Das habe
87er getan, indem er an dem Fahrrad und anschließend am Nebenkläger
88gezogen habe. Da sich der Nebenkläger entgegen gestemmt habe
89(„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“), habe der „Reißer“ ihn
90festnehmen müssen und dazu die erforderliche „einfache“ Gewalt anwenden
91müssen einschließlich des Nasenhebeldrucks und des Schlages, um den
92„Widersstand“ zu brechen. Der „Schläger“ habe von einer
93Gefangenenbefreiung ausgehen müssen, und daher den „Gefangenenbefreier“
94schlagen dürfen. Da der Nebenkläger seinen Kopf in die Schlagfaust
95gehalten habe, sei auch das keine Straftat.
96
97Nach der Art der Verhandlungsführung besteht jedenfalls bei mir die
98Befürchtung, daß das Gericht diesen Ausflüchten folgen wird. Damit
99werden falsche strafrechtliche Maßstäbe gesetzt für zukünftiges
100gewalttätiges Polizeihandeln.
101
102Die Staatsanwaltschaft sah und scheint auch heute die Sache anders zu
103sehen: In der Einstellungsverfügung des von den angeklagten „Reißer“ und
104„Schläger“ abgezettelten Strafverfahrens gegen den Nebenkläger schreibt
105der Staatsanwalt nach Durchsicht der Videoaufnahmen bereits im Juni
1062010: *„... ist ein strafrechtlich relevantes Verhalten des
107(Nebenklägers) im Sinne eines Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
108nicht …. erkennbar. Insoweit bleibt zunächst festzustellen, dass es sich
109bei dem den Nebenkläger treffenden Faustschlag gegenüber seiner Person
110nicht um eine rechtmäßige Diensthandlung gehandelt hat; es gab für einen
111Faustschlag in das Gesicht des Geschädigten keinen Grund..... war für
112den Nebenkläger eine rechtmäßige Diensthandlung nicht erkennbar. Er
113hätte sich insoweit dieser Maßnahme im Weiteren auch (straflos)
114widersetzen dürfen.“*
115
116 
117
118Eisenberg, Rechtsanwalt
119
120*Materialien zum Thema:*
121
122- [Video mit Polizeikamera
123 1](http://ftp.ccc.de/events/freiheit_statt_angst_demo_Sep2009/20090912-Cut1-h264.mov "FSA 09 Video mit Polizeikamera 1")
124- [Video mit Polizeikamera
125 2](http://ftp.ccc.de/events/freiheit_statt_angst_demo_Sep2009/20090912-Cut2-h264.mov "FSA 09 Video mit Polizeikamera 2")
126- [Chaos Update zum Thema vom
127 07.11.2009](http://www.ccc.de/de/updates/2009/update-zum-polizeieinsatz-auf-der-demo-freiheit-statt-angst-v-12-09 "Chaos Update vom 07.11.2009")
128- [Chaos Update zum Thema vom
129 23.01.2012](http://www.ccc.de/de/updates/2012/neues-vom-prozess-polizeigewalt-im-rahmen-der-fsa09 "Chaos Update vom 23.01.2012")