summaryrefslogtreecommitdiff
path: root/updates/2005
diff options
context:
space:
mode:
authoradmin <admin@cccms.de>2009-03-05 22:33:18 +0000
committeradmin <admin@cccms.de>2020-05-23 13:38:09 +0000
commit76e1871b645a72e2ee5bedb2431a05dfe9b60da8 (patch)
tree39010f9b951c3878cb58fd20748f1ad98e018e0e /updates/2005
parent76e252bf2dc7466d689245535407973e220c42be (diff)
committing page revision 2
Diffstat (limited to 'updates/2005')
-rw-r--r--updates/2005/CCC20051004.md88
1 files changed, 88 insertions, 0 deletions
diff --git a/updates/2005/CCC20051004.md b/updates/2005/CCC20051004.md
new file mode 100644
index 00000000..9b5f57e2
--- /dev/null
+++ b/updates/2005/CCC20051004.md
@@ -0,0 +1,88 @@
1title: Pressemitteilung des Chaos Computer Club e.V. zur Einführung biometrischer Reisepässe
2date: 2009-03-02 09:33:17
3updated: 2009-03-05 22:33:18
4author: admin
5tags: update, pressemitteilung
6
7Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepass (ePass) eingeführt. Mehrere Bürgerrechtsorganisationen weisen auf die unausgereifte Technik, hohe Kosten und zunehmende Überwachungstendenzen hin.
8
9<!-- TEASER_END -->
10
11### Erkennungsdienstliche Behandlung auf den Meldeämtern
12
13Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepass (ePass)
14eingeführt. Er enthält erstmals als biometrisches Datum das Bild des
15Passinhabers in elektronischer Form. Diese Information wird auf einem
16Funk-Mikrochip (RFID) gespeichert. Ab dem Jahr 2007 wird zusätzlich der
17elektronische Fingerabdruck aufgenommen.
18
19Nach einer Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der
20Informationstechnik (BSI) ist die neue Technologie weder praxistauglich,
21noch ausgereift. Zudem eröffnet sie neue Formen der überwachung. Das
22Ganze muss der Bürger über Steuergelder und erhöhte Passgebühren auch
23noch bezahlen.
24
25Nach und nach werden in den nächsten Jahren alle deutschen Passinhaber
26auf den Meldeämtern einer Prozedur unterzogen, die der
27erkennungsdienstlichen Behandlung von Kriminellen gleicht. Ein Bild
28ihres Gesichtes und ihrer Fingerabdrücke werden aufgezeichnet. In Folge
29der Einführung der biometrischen Ausweisdokumente wird das Grundrecht
30auf Informationelle Selbstbestimmung verletzt, denn die im ePass
31gespeicherten Daten können an internationalen Grenzen ausgelesen und in
32Datenbanken gespeichert werden. Niemand weiß, wer Zugriff darauf hat und
33was mit den sensiblen biometrischen Daten weiter passiert.
34
35Es ist nicht erkenntlich, welche Vorteile der ePass bringt. Um
36Ausweisdokumente fälschungssicherer zu machen, ist die Speicherung neuer
37personenbezogener Daten nicht nötig. Soll die überprüfung der
38Zusammengehörigkeit von Ausweisträger und Ausweis verbessert werden, ist
39die Erfassung der Fingerabdrücke aller deutschen Staatsbürger
40unverhältnismäßig. Professionelle Straftäter oder gar Terroristen können
41weiterhin auf Ausweisdokumente anderer Staaten ausweichen.
42
43Nach Auffassung der Humanistischen Union (HU), des Chaos Computer Clubs
44(CCC), des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
45Verantwortung (FifF), der JungdemokratInnen/Junge Linke und des Netzwerk
46Neue Medien wird hier ein Sicherheitsplacebo mit inakzeptablen
47bürgerrechtlichen Nebenwirkungen zwangsverabreicht. "Kein Bürger sollte
48glauben, durch die Biometrie in Ausweisen könnten Terroristen gefangen
49werden. Schließlich haben die Täter in der Vergangenheit immer einen
50gültigen Pass besessen," sagt Andy Müller-Maguhn, Sprecher des CCC.
51Zudem bleibt der Reisepass gültig, wenn der Chip nicht mehr
52funktioniert.
53
54Doch der ePass ist erst der Anfang. Der nächste Schritt ist der
55biometrische Personalausweis. "Ohne erkennbaren Sicherheitsgewinn baut
56die Bundesregierung eine überwachungsinfrastruktur mit hohem
57Missbrauchspotential auf. Das entspricht nicht unserem
58Demokratieverständnis," erklärt Dr. Christoph Bruch, Mitglied des
59Bundesvorstandes der HU. Biometrische Verfahren und die eingesetzten
60Funkchips bieten mannigfaltige Möglichkeiten zur überwachung von
61Menschen. Und dass einmal installierte Technologien zur Identifizierung
62und überwachung die Begehrlichkeiten von Geheimdiensten,
63Ermittlungsbehörden, aber auch kommerziellen Unternehmen wecken werden,
64ist kein neues Phänomen.
65
66Mit dem Argument, die neuen Dokumente seien ein Werkzeug gegen den
67Terrorismus, findet eine gigantische Verschwendung von finanziellen
68Ressourcen statt, die weit sinnvoller zur tatsächlichen
69Terrorismusprävention verwendet werden könnten. Die Kosten von 59 bzw.
7091 Euro, die der Passinhaber tragen muss, decken die finanziellen
71Aufwendungen für die Einführung der biometrischen Pässe dabei nicht
72einmal.
73
74Wozu also die praxisuntaugliche Technologie, über deren Einführung ohne
75gesellschaftliche Debatte über die Köpfe der Bürger und des Parlaments
76hinweg entschieden wurde? Weshalb die überstürzte Einführung? Der
77Verdacht liegt nahe, dass hier Lobbyisten ganze Arbeit geleistet haben
78und wirtschaftliche Interessen massiv unterstützt werden sollen. Die
79marode Bundesdruckerei mit ihren undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen
80und die auf ein Riesengeschäft lauernde Biometrieindustrie erwarten
81blendende Umsätze. Der Bürger hingegen darf sich auf mehr überwachung,
82neue digitale Datensammlungen und eine Technik, die nachweislich noch
83nicht einsatzreif ist, freuen.
84
85### Rückfragen bitte an:
86
87- Chaos Computer Club, Postfach 64 02 36, D-10048 Berlin -
88 biometrie(at)ccc.de