summaryrefslogtreecommitdiff
path: root/updates
diff options
context:
space:
mode:
authorfrankro <frankro@berlin.ccc.de>2009-04-18 19:12:41 +0000
committerfrankro <frankro@berlin.ccc.de>2020-05-23 13:38:26 +0000
commit2052d517942032e2f3df834876cc47c1d37a0a3e (patch)
tree0278d1a2a3d528fab04952f25f23b3c3ad121963 /updates
parent00aadcc3b1a93fa1239c494a18f89cd7d7663759 (diff)
committing page revision 1
Diffstat (limited to 'updates')
-rw-r--r--updates/2005/pm20050906.md121
1 files changed, 121 insertions, 0 deletions
diff --git a/updates/2005/pm20050906.md b/updates/2005/pm20050906.md
new file mode 100644
index 00000000..c3abe0d5
--- /dev/null
+++ b/updates/2005/pm20050906.md
@@ -0,0 +1,121 @@
1title: Pressemitteilung BioP II Studie
2date: 2005-09-06 00:00:00
3updated: 2009-04-18 19:12:41
4author: frankro
5tags: update
6
7CCC warnt vor Biometrie-Desaster bei neuen Reisepässen
8
9<!-- TEASER_END -->
10
11Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat
12kürzlich die "BioP2-Studie" zur Leistungsfähigkeit biometrischer
13Verfahren für die neuen Reisepässe ("ePass") veröffentlicht. Der Chaos
14Computer Club (CCC) warnt nach Auswertung der Studie nachdrücklich vor
15dem Einsatz der offensichtlich untauglichen Biometriesysteme. Angesichts
16der unzulänglichen Technik und den enormen Kosten droht der
17Bundesrepublik ein neues Hi-Tech-Debakel.
18
19Betroffen von der Einführung der ePässe ab 1. November 2005 sind pro
20Jahr zwei Millionen Deutsche. Die BSI-Studie sollte ermitteln, ob
21biometrische Verfahren im praktischen Einsatz tauglich und
22benutzerfreundlich sind. Sie sollte als Grundlage für das
23Gesetzgebungsverfahren Empfehlungen für die Umsetzung an Flughäfen oder
24Grenzübergängen unterbreiten. Der Gesetzgeber ignorierte die eigens in
25Auftrag gegebene Studie jedoch.
26
27### Biometrische Verfahren ungeeignet
28
29Die getesteten Verfahren wiesen zwischen 3 und 23 Prozent der
30teilnehmenden Personen fälschlich zurück. Wenn diese Systeme tatsächlich
31flächendeckend in der Passkontrolle eingesetzt werden, stehen täglich
32zehntausende Menschen an den Flughäfen vor rot blinkenden Bildschirmen.
33Ihre Fingerabdrücke oder digitalen Fotos würden von der Software nicht
34erkannt. Laut Bundesinnenministerium hätten diese Bürger dann mit einer
35"verschärften Kontrolle" zu rechnen.
36
37Im Rahmen der BSI-Studie wurden auch Untersuchungen zur
38Überwindungssicherheit der Verfahren angestellt. Die Ergebnisse dieser
39Tests werden jedoch geheim gehalten. "Wir nehmen an, dass das BSI zu
40ähnlich verheerenden Ergebnissen gekommen ist, wie der CCC bei seinen
41Untersuchungen", so Andy Müller-Maguhn, Sprecher des CCC. Der Club hatte
42in der Vergangenheit mehrfach die Überwindbarkeit von biometrischen
43Systemen mit einfachsten Mitteln demonstriert.
44
45Die BioP2-Studie kommt zu dem Schluss, dass zahlreiche technische
46Verbesserungen sowie eine weitere "gründliche Untersuchung der
47Funktionstüchtigkeit, der Erkennungsleistung und der
48Überwindungssicherheit" notwendig sind. Das BSI räumt damit selbst ein,
49dass die Technologie alles andere als einsatztauglich ist. Es wird gar
50die Hoffnung bekundet, die Bürger würden sich schon an die dauernden
51Zurückweisungen, hohen Fehlerraten und nicht intuitive Benutzerführung
52der Systeme gewöhnen.
53
54Die deutschen Reisepässe gehören laut BKA zu den sichersten der Welt.
55Funkchips und Biometrie werden dieses Sicherheitsniveau senken, weil
56sich die Grenzbeamten zunehmend auf die unzulängliche Technik verlassen.
57Andy Müller-Maguhn fasst zusammen: "Hier wird ein teures, unausgereiftes
58und unsicheres System eingeführt, das beste Chancen hat, zu einem
59weiteren Technologie-Desaster zu werden. Es ist offensichtlich, dass mit
60der Einführung des ePasses vor allem Industrieinteressen bedient und die
61angeschlagene Bundesdruckerei saniert werden sollen."
62
63Der Chaos Computer Club fordert, die Einführung von Biometrie und
64Funkchips in den Reisepässen bis auf weiteres auszusetzen. Sollte sich
65bei einer ergebnisoffenen Prüfung der Verfahren bestätigen, dass sie
66prinzipiell nicht geeignet sind, muss auf den Einsatz in Reisepässen
67grundsätzlich verzichtet werden.
68
69### Die Kritikpunkte im Überblick:
70
71- Erkennungsleistungen:\
72 Keines der getesteten Systeme kann durch Leistungsfähigkeit
73 überzeugen. Insbesondere die Gesichts- und Iriserkennung erreichen
74 Falschrückweisungsraten, die deutlich machen, dass sie praktisch
75 nicht benutzbar sind.
76- Sicherheit:\
77 Die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsmechanismen sowie die
78 Überwindungssicherheit der Systeme konnten nicht belegt werden, da
79 die entsprechenden Testresultate nicht publiziert wurden.
80 Unabhängige Untersuchungen durch den CCC legen nahe, dass alle
81 biometrischen Systeme eine mangelhafte Überwindungssicherheit
82 aufweisen.
83- Benutzbarkeit:\
84 Die Systeme verfügen über keine ausreichende Benutzerführung. Eine
85 intensive Betreuung der Bürger sowie umfängliche Schulung des
86 Personals müßte daher gewährleistet werden. Die Kosten wird der
87 Passinhaber tragen.
88- Akzeptanz:\
89 Auf Grund der hohen Falschrückweisungsraten und der nicht intuitiven
90 Benutzerführung zeigten über die Hälfte der Testteilnehmer ihre
91 mangelnde Akzeptanz der Systeme dadurch, dass sie nach der
92 Registrierung kaum aktiv am Feldtest teilnahmen.
93- Verzerrung der Ergebnisse der Studie:\
94 Durch gezieltes Weglassen signifikant schlechter Ergebnisse zu
95 Beginn des Feldtests werden die Erkennungsleistungen der Systeme
96 verzerrt dargestellt. Eine Änderung der Testparameter während des
97 laufenden Versuchs manipuliert die Ergebnisse zusätzlich und
98 verkleinert die ohnehin unzureichende Datenbasis weiter. Die Anlagen
99 mit den konkreten Daten des Tests wurden nicht veröffentlicht.
100- Repräsentativität:\
101 Die Anzahl und Auswahl der Testteilnehmer der Studie ist
102 hinsichtlich Alter, Geschlecht, Beruf und weiterer Eigenschaften
103 nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Die Ergebnisse der
104 Studie geben daher keine zuverlässige Auskunft zur tatsächlichen
105 Einsatzfähigkeit der Verfahren. Auf Grund der Teilnehmer-
106 Zusammensetzung sind in der Praxis noch schlechtere Ergebnisse zu
107 erwarten.
108- Kosten:\
109 Die Kosten für die Erfassungsgeräte in den ca. 6000 Meldestellen,
110 die Kontrollsysteme an den 419 Grenzübergangsstellen, das zusätzlich
111 notwendige Betreuungspersonal an den Geräten, die Schulungen des
112 Personals sowie die nötigen Umbauten (auf Grund der benötigten
113 Lichtverhältnisse für die Gesichtserkennung) wurden nicht
114 dargestellt. Eine Kosten/Nutzen-Abwägung fand nicht statt.
115
116Eine Materialsammlung zum Thema ePass hat der CCC unter
117[www.ccc.de/epass](/de/epass/) online gestellt. Insbesondere für
118Medienvertreter empfehlen wir [die Antworten der BMI-Pressestelle mit
119unseren Kommentaren](/de/epass/stellungnahme-bmi).\
120Rückfragen bitte an biometrie(at)ccc.de oder\
121Frank Rosengart, 0177/3786912