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title: Chaos macht Schule: Forderungen für eine zeitgemäße digitale Bildung an unseren Schulen
date: 2017-05-08 01:46:00 
updated: 2017-05-08 08:46:05 
author: remission
tags: chaos macht schule

Das Projekt „Chaos macht Schule“ vom Chaos Computer Club setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche früh an Technik heranzuführen. Um dies auf zeitgemäße Weise zu schaffen, wurde auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahre eine Forderungsliste für digitale Bildung an Schulen entworfen, die sich sowohl an die Bildungspolitik als auch an die mit den Kindern Arbeitenden richtet.

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„Chaos macht Schule“ \[0\] arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit
Kindern und Jugendlichen, mit Lehrern und Lehrerinnen und mit Eltern.
Einiges liegt im Argen, was die Bildungspolitik in Zusammenhang mit der
Aneignung von Technik angeht. Deswegen wird es Zeit, diese Mängel zu
benennen und unsere Lösungsideen vorzustellen.

**Präambel**

Das Internet und soziale Netzwerke stellen für Kinder und Jugendliche
wichtige Lebens- und Kommunikationsräume dar, in denen sie sich frei
bewegen und entfalten. Viele können sich ein Leben ohne Smartphones und
kontinuierliche Vernetzung mit ihren Freunden nicht mehr vorstellen.
Dennoch werden Inhalte der Medienkunde und Informatik nur unzureichend
in unseren Schulen vermittelt. Daher entstand vor über zehn Jahren aus
dem CCC heraus das Projekt „Chaos macht Schule“ zur Förderung von
Medienkompetenz und Technikverständnis bei Lehrern und Lehrerinnen,
Schülern und Schülerinnen und deren Eltern. Auf Basis der in diesem
Projekt gewonnenen Erfahrungen haben wir fünf Forderungen für eine
zeitgemäße Bildung an unseren Schulen entwickelt.

### 1. Digitale Mündigkeit der Schüler und Schülerinnen

Zeitgemäße Bildung muss die digitale Mündigkeit der Schüler und
Schülerinnen als ein zentrales Ziel anstreben. Mündige Menschen sollen
die digitalen Werkzeuge verstehen und hinterfragen können. Diese
Fähigkeit ist unerlässlich, um an gesellschaftlichen und politischen
Debatten teilhaben und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen zu
können. Wir müssen beispielsweise als ganze Gesellschaft darüber
diskutieren, welche technischen und gesetzlichen Weichen für neue
Entwicklungen wie selbstfahrende Fahrzeuge oder das Internet der Dinge
zu stellen sind, und können dies nicht wenigen überlassen. Das Stellen
sozialethischer Weichen kann nur durch einen gesamtgesellschaftlichen
Diskurs und nicht durch einzelne Expertengremien erfolgen.

Der bisherige Schwerpunkt der Bildungspolitik scheint darauf beschränkt,
Schüler und Schülerinnen auf „die umfassende Digitalisierung in Beruf
und Studium“ vorzubereiten bzw. sie den „selbstverständlichen Umgang mit
Computern und Programmen“ \[1\] zu lehren. Digitale Mündigkeit muss
jedoch über reines Anwendungswissen oder informatische Grundlagen wie
das Programmieren hinausgehen. Schüler und Schülerinnen sollen keine
bloßen Nutzer, sondern diejenigen werden, die ihre Maschinen wirklich
kontrollieren und beherrschen.

Das bedeutet:

-   Open-Source-Werkzeuge sollen der Standard an Schulen werden.
-   Heranwachsende sollen an offene, anpassbare und erweiterbare
    Plattformen herangeführt werden.
-   Schüler sollen keine Werbeopfer werden und sind daher von
    kommerziellen Plattformen fernzuhalten, die ihr Verhalten zu
    Werbezwecken aufzeichnen und auswerten.

Mit der Vernetzung von Medien und der Möglichkeit der freien Verbreitung
von Informationen durch beliebige Nutzer stellen sich der Gesellschaft
zudem neue Herausforderungen bezüglich des Umgangs mit Nachrichtenmedien
und der Informationsbewältigung. Denn wir stehen vor der
Herausforderung, eine weitaus größere Informationsflut in kurzer Zeit zu
erfassen, zu filtern und zu bewerten. Die Resultate der diesbezüglich
verschlafenen Bildungspolitik sehen wir in der aktuellen Debatte um
„alternative Fakten“.

Digitalpolitik darf nicht als technischer Randbereich verkannt werden,
sondern muss als Grundpfeiler einer modernen Gesellschaftspolitik
behandelt werden. Damit ist sie auch das Fundament einer
funktionierenden und vorwärtsgewandten Bildungspolitik.

### 2. Fächerübergreifende Themen der digitalisierten Lebenswelt

Die Themen der digitalisierten Lebenswelt müssen fächerübergreifend
betrachtet werden. Viele Schulen versuchen diese Themen in neu
geschaffenen Fächern wie Medienkunde, Digitalkunde oder gar nur als Teil
des Informatikunterrichts aufzugreifen. Da Computer aber mittlerweile in
alle Bereichen des Lebens Einzug genommen haben, sind sie auch in alle
Schulfächer zu integrieren.

Möchte man beispielsweise das Phänomen eines beliebigen sozialen
Netzwerks verstehen, so reicht es nicht, dieses nur auf technischer
Ebene zu betrachten. Denn man kann es kaum losgelöst von politischen,
ökonomischen, ethischen bzw. juristischen Fragen in seiner Gesamtheit
erfassen.

Die technologischen Entwicklungen haben außerdem grundlegende
Auswirkungen auf Kernaspekte aller Unterrichtsfächer. Plattformen wie
Wikipedia ersetzen klassische Literatur bei der Beschaffung von
Informationen in Fächern wie Deutsch, Geschichte und den
Sozialwissenschaften. Übersetzungssoftware ersetzt das klassische
Wörterbuch. Die zunehmende Vernetzung und Verlagerung großer Teile
unseres Soziallebens ins Digitale erfordert eine Auseinandersetzung mit
den daraus resultierenden ethischen und gesellschaftlichen Folgen, was
nicht zuletzt einen enormen Einfluss auf Fächer wie Sozial- und
Gemeinschaftskunde oder Religion bzw. Ethik hat.

### 3. Stärkung der Lehrkräfte

Digitale Bildung erfordert vor allem die Stärkung unserer Lehrkräfte,
aber auch die bessere technische Ausstattung von Schulen. Die
Ausstattung ist nur ein Teil der Lösung, denn um die Technik sinnvoll
nutzen zu können, müssen Computer im Unterricht und der mündige Umgang
damit verpflichtende Themen jeder Aus- und Weiterbildung sein.

Das Bundesbildungsministerium unterstützt Schulen allerdings
hauptsächlich finanziell bei der „digitale\[n\] Ausstattung wie
Breitbandanbindung, WLAN und Geräten“ \[2\]. Dies führt zu drei
grundlegenden Problemen:

Das bedeutet:

-   Der rasante technische Fortschritt führt dazu, dass angeschaffte
    Geräte teils schneller veralten, als die Lehrkräfte befähigt werden,
    die Geräte angemessen in ihren Unterricht zu integrieren.
-   Die Schulen und deren Lehrkräfte verfügen nicht über genügend
    zeitliche und personelle Ressourcen, um die Geräte angemessen zu
    administrieren. Die Informatiklehrer und Informatiklehrerinnen, die
    diese Tätigkeiten meist nebenher durchführen, wurden in der Regel
    nicht für administrative Aufgaben ausgebildet.
-   Betrachtet man vor allem die technischen Geräte, geraten weitere
    Facetten der digitalen Mündigkeit in den Hintergrund. Um zu lernen,
    wie digitale Medien wie beispielsweise das Internet grundlegend
    funktionieren, ist nicht zwingend eine technische Ausstattung
    notwendig.

Schulen benötigen deshalb hauptamtliche Administratoren, um die
Einbindung digitaler Technologien in jeden Unterricht sinnvoll zu
bewerkstelligen.

Es ist besorgniserregend, dass die Bildungspolitik bis heute nicht in
der Lage war, geeignete Konzepte in der Ausbildung neuer Lehrkräfte zu
etablieren. Obwohl entstandene Herausforderungen durch die
Digitalisierung seit Jahren bekannt sind, scheinen die zuständigen
Ministerien bis heute keinen Druck zu verspüren, zeitnah durch die
Anpassung von Lehrinhalten an Universitäten und in den Seminaren für
Lehrerbildung eine zeitgemäße Bildung voranzutreiben.

Neben Weiterbildungsangeboten für ausgebildete Lehrkräfte muss es vor
allem für unsere Lehramtsstudenten und -studentinnen Kurse geben, die
sie auf die Chancen und Herausforderungen des digitalisierten
Unterrichts adäquat vorbereiten. Um den internationalen Anschluss nicht
weiter zu verlieren, muss die Bildungspolitik endlich Fahrt aufnehmen.
Immerhin wird es bei einer Integration in die universitäre
Lehrerausbildung viele Jahre dauern, bis entsprechend geschultes
Lehrpersonal verfügbar wird. Um diese Zeit zu verkürzen, könnten
entsprechende Inhalte übergangsweise auch im Referendariat vermittelt
werden.

### 4. Vorbilder schaffen

Lehrer und Lehrerinnen müssen im Umgang mit digitalen Medien Vorbilder
sein, etwa beim sorgsamen Umgang mit Passwörtern oder bei der
Verarbeitung und Übertragung schülerbezogener Daten. Lehrkräfte sollen
Vorbilder für ihre Schüler und Schülerinnen auch bezüglich ihres Umgangs
mit digitalen Medien sein. Im Rahmen von „Chaos macht Schule“ beobachten
wir regelmäßig, dass zu wenig Wert auf IT-Sicherheit und Datenschutz
gelegt wird. Lehrer und Lehrerinnen scheinen sich dem obigen
Vorbildmechanismus nicht immer bewusst zu sein bzw. versuchen, sich
diesem zu entziehen. Sie müssen deshalb für die beschriebenen Probleme
sensibilisiert werden und ihre Vorbildrolle aktiv gestalten.

Das Vermitteln von Wissen über IT-Sicherheit und verantwortungsvollen
Umgang mit Daten muss künftig selbstverständlicher Teil der Schulbildung
werden. Dazu gehört auch das vorbildhafte Verhalten der
Bildungsinstitutionen selbst.

### 5. Externe Experten einbinden

Zur kurzfristigen Umsetzung einer zeitgemäßen technischen Bildung müssen
auch externe Experten eingebunden werden. In den letzten Jahren sind
zahlreiche Initiativen mit Fokus auf digitale Bildung entstanden, die
mit Schulen kooperieren. Viele dieser teilweise ehrenamtlichen
Initiativen arbeiten an der eigenen Belastungsgrenze, was große Defizite
in den Schulsystemen offenbart.

Mehrjährig bestehende Bildungspläne stehen in einem Gegensatz zu den
immer schnelleren Entwicklungen der digitalen Welt. Nachdem die Aus- und
Weiterbildung der Lehrkräfte zu digitalen Themen bis heute
vernachlässigt wird, können diese nicht kurzfristig zu Experten und
Expertinnen auf diesem Gebiet werden.

Fächerübergreifende digitale Bildung ist aus unserer Sicht unabhängig
von der technischen Ausstattung an einer Schule umsetzbar. Dies ist
möglich, wenn die vorhandenen Gelder nicht nur in die Lehreraus- und
-weiterbildung fließen, sondern auch lokal tätigen Bildungsinitiativen
zu Gute kommen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag und müssen besser
unterstützt werden. Beispielsweise Makerspaces \[3\] oder externe
Angebote zum Einstieg in die Programmierung können die digitale
Bildungslandschaft bereichern, ohne einseitig auf die Bildungsangebote
von Großkonzernen setzen zu müssen. Solche Kooperationen sollten auch
eine nachhaltige Entwicklung der Bildungslandschaft fördern.
Bildungsangebote von Großkonzernen sind dabei zu meiden, da die Gefahr
besteht, dass diese primär ihre eigenen wirtschaftlichen Ziele
voranbringen möchten – also beispielsweise die Ausbildung neuer
Programmierer und Programmiererinnen im Zeitalter des Fachkräftemangels
oder die Akzeptanz für die eigenen Systeme.

**Links**:

\[0\] [Chaos macht Schule](/de/schule)

\[1\] [Schulsenator Rabe in seiner Funktion als Sprecher der SPD- und
Grün-geführten Kultusministerien im Dezember
2016](http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/7139036/2016-10-12-bsb-digitale-bildung/)

\[2\] [Bildungsministerin Wanka im Oktober
2016](http://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-wanka-will-digitale-bildung-an-schulen-mit-fuenf-milliarden-foerdern-1.3202332)

\[3\] Beispiel: [Makerspace in
Bibliothek](https://www.goethe.de/de/kul/bib/20440837.html)