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title: Pressemitteilung des Chaos Computer Club e.V. zur Einführung biometrischer Reisepässe
date: 2005-10-04 08:34:00 
updated: 2009-11-01 23:49:50 
author: 46halbe
tags: update, pressemitteilung, reisepass

Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepaß (ePass) eingeführt. Bürgerrechtsorganisationen weisen auf die unausgereifte Technik, hohe Kosten und zunehmende Überwachungstendenzen hin.

<!-- TEASER_END -->

### Erkennungsdienstliche Behandlung auf den Meldeämtern

Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepaß (ePass)
eingeführt. Er enthält erstmals als biometrisches Datum das Bild des
Paßinhabers in elektronischer Form. Diese Information wird auf einem
Funk-Mikrochip (RFID) gespeichert. Ab dem Jahr 2007 wird zusätzlich der
elektronische Fingerabdruck aufgenommen.

Nach einer Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI) ist die neue Technologie weder praxistauglich
noch ausgereift. Zudem eröffnet sie neue Formen der überwachung. Das
Ganze muß der Bürger über Steuergelder und erhöhte Paßgebühren auch noch
bezahlen.

Nach und nach werden in den nächsten Jahren alle deutschen Paßinhaber
auf den Meldeämtern einer Prozedur unterzogen, die der
erkennungsdienstlichen Behandlung von Kriminellen gleicht. Ein Bild
ihres Gesichtes und ihrer Fingerabdrücke werden aufgezeichnet. In Folge
der Einführung der biometrischen Ausweisdokumente wird das Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, denn die im ePass
gespeicherten Daten können an internationalen Grenzen ausgelesen und in
Datenbanken gespeichert werden. Niemand weiß, wer Zugriff darauf hat und
was mit den sensiblen biometrischen Daten weiter passiert.

Es ist nicht erkenntlich, welche Vorteile der ePass bringt. Um
Ausweisdokumente fälschungssicherer zu machen, ist die Speicherung neuer
personenbezogener Daten nicht nötig. Soll die überprüfung der
Zusammengehörigkeit von Ausweisträger und Ausweis verbessert werden, ist
die Erfassung der Fingerabdrücke aller deutschen Staatsbürger
unverhältnismäßig. Professionelle Straftäter oder gar Terroristen können
weiterhin auf Ausweisdokumente anderer Staaten ausweichen.

Nach Auffassung der Humanistischen Union (HU), des Chaos Computer Clubs
(CCC), des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FifF), der JungdemokratInnen/Junge Linke und des Netzwerk
Neue Medien wird hier ein Sicherheitsplacebo mit inakzeptablen
bürgerrechtlichen Nebenwirkungen zwangsverabreicht. "Kein Bürger sollte
glauben, durch die Biometrie in Ausweisen könnten Terroristen gefangen
werden. Schließlich haben die Täter in der Vergangenheit immer einen
gültigen Paß besessen," sagt Andy Müller-Maguhn, Sprecher des CCC. Zudem
bleibt der Reisepaß gültig, wenn der Chip nicht mehr funktioniert.

Doch der ePass ist erst der Anfang. Der nächste Schritt ist der
biometrische Personalausweis. "Ohne erkennbaren Sicherheitsgewinn baut
die Bundesregierung eine überwachungsinfrastruktur mit hohem
Mißbrauchspotential auf. Das entspricht nicht unserem
Demokratieverständnis," erklärt Dr. Christoph Bruch, Mitglied des
Bundesvorstandes der HU. Biometrische Verfahren und die eingesetzten
Funkchips bieten mannigfaltige Möglichkeiten zur überwachung von
Menschen. Und daß einmal installierte Technologien zur Identifizierung
und Überwachung die Begehrlichkeiten von Geheimdiensten,
Ermittlungsbehörden, aber auch kommerziellen Unternehmen wecken werden,
ist kein neues Phänomen.

Mit dem Argument, die neuen Dokumente seien ein Werkzeug gegen den
Terrorismus, findet eine gigantische Verschwendung von finanziellen
Ressourcen statt, die weit sinnvoller zur tatsächlichen
Terrorismusprävention verwendet werden könnten. Die Kosten von 59 bzw.
91 Euro, die der Paßinhaber tragen muß, decken die finanziellen
Aufwendungen für die Einführung der biometrischen Pässe dabei nicht
einmal.

Wozu also die praxisuntaugliche Technologie, über deren Einführung ohne
gesellschaftliche Debatte über die Köpfe der Bürger und des Parlaments
hinweg entschieden wurde? Weshalb die überstürzte Einführung? Der
Verdacht liegt nahe, daß hier Lobbyisten ganze Arbeit geleistet haben
und wirtschaftliche Interessen massiv unterstützt werden sollen. Die
marode Bundesdruckerei mit ihren undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen
und die auf ein Riesengeschäft lauernde Biometrieindustrie erwarten
blendende Umsätze. Der Bürger hingegen darf sich auf mehr Überwachung,
neue digitale Datensammlungen und eine Technik, die nachweislich noch
nicht einsatzreif ist, freuen.

### Rückfragen bitte an:

 

-   Chaos Computer Club, Postfach 64 02 36, D-10048 Berlin –
    biometrie(at)ccc.de