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title: Aufruf zum Anruf: Vorratsdatenspeicherung verhindern – jetzt!
date: 2005-12-08 00:00:00 
updated: 2010-01-16 00:51:07 
author: webmaster
tags: update, vorratsdatenspeicherung

Nächste Woche wird es konkret im Europaparlament: Die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie steht am Dienstag zur Diskussion im Plenum und soll am Mittwoch in erster Lesung abgestimmt werden. Der Bürgerrechtsausschuß (LIBE) des Europaparlaments hatte sich zwar auf gemeinsame Änderungswünsche geeinigt, allerdings haben die beiden großen Fraktionen (Sozialdemokraten und Konservative) auf eigene Faust einen Kompromiß mit dem EU Council beschlossen. Dieser soll von der "Großen Koalition" im Europaparlament beschlossen werden und bedeutet keine eine Entschärfung der Richtlinie. Unsere Abgeordneten wollen an die Bedeutung ihrer Entscheidung erinnert werden – hilf mit!


<!-- TEASER_END -->

Wer das Europaparlament und seine Arbeitsweise kennt, weiß, daß es dort
nicht wie im Bundestag funktioniert. Koalitionen gibt es nur bei Themen,
und die können wechseln. Auch sind die bunt zusammengewürfelten
Fraktionen sehr divergierend in ihren Ansichten. Hier kann jeder
ansetzen. Vermutlich sind sich die meisten Abgeordneten nicht wirklich
bewußt, was sie am Mittwoch abstimmen werden und welche Konsequenzen die
Richtlinie für Grund- und Freiheitsrechte in Europa bedeuten. Bei den
Plenumsdiskussionen nehmen meist nur die Fachpolitiker des Themas teil,
die wiederum für ihre Fraktionen "Voting Lists" erstellen, quasi
Wahlempfehlungen.

Die Tagesordnung am Mittwoch sieht folgendermaßen aus: Es gibt nur zwei
unterstützenswerte Änderungsanträge. An erster Stelle steht ein Antrag
der grünen Fraktion auf Ablehnung der gesamten Richtlinie. Dieser ist
natürlich der weitestgehende und sollte im Optimalfall von den
Abgeordneten unterstützt werden. Aber selbst die Liberalen sind
gespalten und werden vermutlich mehrheitlich für den Kompromißantrag der
"Großen Koalition" stimmen. Der zweite unterstützenswerte
Änderungsantrag kommt von der Schwedin Charlotte Cederschiöld und
betrifft Artikel 10 der Richtlinie. Hier geht es um die umstrittene
Frage, wer denn die Kosten für die Vollüberwachung übernehmen soll.
Während der Kompromiß die Kosten auf die Industrie abwälzen will, die
wiederum alle neu entstehenden Kosten an die Verbraucher weitergeben
wird, fordert der Änderungsantrag die Kostenübernahme durch die
Regierungen, also das Verursacherprinzip. Würde dieser Änderungsantrag
durchkommen, wäre eine zweite Lesung notwendig, und es wäre Zeit
gewonnen für mehr Diskussionen. Jedesmal sind 370 Stimmen notwendig. Das
Problem ist, daß die "Große Koalition" die absolute Mehrheit hat, aber
längst nicht so einig sind wie im Bundestag. Aber auch die Liberalen
werden wohl mehrheitlich für die Vorratsdatenspeicherung stimmen und
leider nur in einer Minderheit für die Ablehnung der Richtlinie.

Deutschland hat insgesamt 99 Abgeordnete im Europaparlament, von denen
vermutlich die wenigsten wissen, was auf dem Spiel steht. Der Bundestag
hat letztes Jahr in einem [interfraktionellen
Antrag](http://dip.bundestag.de/btd/15/045/1504597.pdf) geschlossen eine
Vorratsdatenspeicherung abgelehnt.

*Was kann man jetzt noch tun?*

Wichtig ist, bei den [Abgeordneten
anzurufen](http://www.europarl.eu.int/members/public.do?language=de),
Faxe zu schicken und E-Mails zu schreiben und auf die Risiken der
Richtlinie hinzuweisen. Den meisten dürfte nicht bewußt sein, was ihre
Fraktionsvorsitzenden ihnen am Mittwoch bei einer Richtlinie mit dem
komisch klingenden Namen "Data Retention" zur Abstimmung empfehlen.
Wenige Tage sind hierfür noch Zeit. Starten sollte man immer bei den
eigenen Europaabgeordneten. Schaut also nach, wer für Euch im
Europaparlament sitzt. Direkt anrufen ist am sinnvollsten, meist hat man
einen Mitarbeiter am Telefon, wenn man Glück hat, auch den Abgeordneten.
Faxe schreiben ist auch gut, ein Fax halten die Mitarbeiter in der Hand
und müßten sich das erstmal durchlesen. E-Mails sind leider nicht sehr
effektiv, da die Abgeordneten viel mehr E-Mails als Faxe und
Telefonanrufe bekommen. Wichtig ist vor allem, höflich und argumentativ
am Telefon zu sein. Ihr wollt ja jemanden überzeugen und nicht
beschimpfen!

Verbreitet die Nachricht weiter und mobilisiert mehr Menschen, sich
jetzt gegen eine Vorratsdatenspeicherung und damit eine flächendeckende
Überwachungsinfrastruktur in Europa einzusetzen. Nächste Woche ist es zu
spät, und dann können wir nur noch auf die Gerichte hoffen.

Hier ist ein aktueller Artikel aus der "Zeit" über die
Vorratsdatenspeicherung und was sie bedeuten wird: [Jeder unter
Verdacht.](http://www.zeit.de/2005/49/Vorratsspeicherung) Über eine
gestrige Anhörung im Europaparlament berichtet Reuters: Compromise on EU
data storage rules spurs backlash. Die meisten Informationen hält [das
Wiki](http://wiki.dataretentionisnosolution.com:81/index.php/Main_Page)
unserer "[Data retention is no
solution](http://www.dataretentionisnosolution.com)"-Kampagne bereit.
Viele Informationen bietet auch
[netzpolitik.org](http://www.netzpolitik.org). Am einfachsten findet man
diese, wenn man "Vorratsdatenspeicherung" in die Such-Maske eingibt.
Heise faßt die neuesten Entwicklungen auch nochmal zusammen:
[Abstimmungskrimi bei Richtlinie zur Überwachung der Telekommunikation
erwartet.](http://www.heise.de/newsticker/meldung/67133)