1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
|
title: Aufruf zum Anruf: Vorratsdatenspeicherung verhindern - jetzt!
date: 2005-12-08 00:00:00
updated: 2009-04-18 19:12:38
author: webmaster
tags: update
Nächste Woche wird es konkret im Europaparlament: Die Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie steht am Dienstag zur Diskussion im Plenum und soll am Mittwoch in erster Lesung abgestimmt werden. Der Bürgerrechts-Ausschuss (LIBE) des Europaparlaments hatte sich zwar auf gemeinsame Änderungswünsche geeinigt, allerdings haben die beiden grossen Fraktionen (Sozialdemokraten und Konservative) auf eigene Faust einen Kompromiss mit dem EU-Council beschlossen. Dieser soll von der "Grossen Koalition" im Europaparlament beschlossen werden und bedeutet nicht wirklich eine Entschärfung der Richtlinie. Unsere Abgeordneten wollen an die Bedeutung ihrer Entscheidung erinnert werden - hilf mit!
<!-- TEASER_END -->
Wer das Europaparlament und seine Arbeitsweise kennt, weiss, dass es
dort nicht wie im Bundestag funktioniert. Koalitionen gibt es nur bei
Themen und die können wechseln. Auch sind die bunt zusammengewürfelten
Fraktionen sehr divergierend in ihren Ansichten. Hier kann jeder
ansetzen. Vermutlich sind sich die meisten Abgeordneten nicht wirklich
bewusst, was sie am Mittwoch abstimmen werden und welche Konsequenzen
die Richtlinie für Grund- und Freiheitsrechte in Europa bedeuten. Bei
den Plenumsdiskussionen nehmen meist nur die Fachpolitiker des Themas
teil, die wiederum für ihre Fraktionen "Voting-Lists" erstellen, quasi
Wahlempfehlungen.
Die Tagesordnung am Mittwoch sieht folgendermassen aus: Es gibt nur zwei
unterstützenswerte Änderungsanträge. An erster Stelle steht ein Antrag
der grünen Fraktion auf Ablehnung der gesamten Richtlinie. Dieser ist
natürlich der weitestgehende und sollte im Optimalfall von den
Abgeordneten unterstützt werden. Aber selbst die Liberalen sind
gespalten und werden vermutlich mehrheitlich für den Kompromissantrag
der "Grossen Koalition" stimmen. Der zweite unterstützenswerte
Änderungsantrag kommt von der Schwedin Charlotte Cederschiöld und
betrifft Artikel 10 der Richtlinie. Hier geht es um die umstrittene
Frage, wer denn die Kosten für die Vollüberwachung übernehmen soll.
Während der Kompromiss die Kosten auf die Industrie abwälzen will, die
wiederum alle neu entstehenden Kosten an die Verbraucher witer geben
wird, fordert der Änderungsantrag die Kostenübernahme durch die
Regierungen. Also das Verursacherprinzip. Würde dieser Änderungsantrag
durchkommen, wäre eine zweite Lesung notwendig und es wäre Zeit gewonnen
für mehr Diskussionen. Jedesmal sind 370 Stimmen notwendig. Das Problem
ist, dass die "Grosse Koalition" die absolute Mehrheit hat, aber längst
nicht so einig sind wie im Bundestag. Aber auch die Liberalen werden
wohl mehrheitlich für die Vorratsdatenspeicherung stimmen und leider nur
in einer Minderheit für die Ablehnung der Richtlinie.
Deutschland hat insgesamt 99 Abgeordnete im Europaparlament, wo
vermutlich die wenigsten von wissen, was auf dem Spiel steht. Der
Bundestag hat letztes Jahr in einem [interfraktionellen
Antrag](http://dip.bundestag.de/btd/15/045/1504597.pdf) geschlossen eine
Vorratsdatenspeicherung abgelehnt.
*Was kann man jetzt noch tun?*
Wichtig ist, bei den [Abgeordneten
anzurufen](http://www.europarl.eu.int/members/public.do?language=de),
Faxe zu schicken und Mails zu schreiben und auf die Risiken der
Richtlinie hinweisen. Den meisten dürfte echt nicht bewusst sein, was
ihre Fraktionsvorsitzenden ihnen am Mittwoch bei einer Richtlinie mit
dem komisch klingenden Namen "Data Retention" zur Abstimmung empfehlen.
Wenige Tage sind hierfür noch Zeit. Starten sollten man immer bei den
eigenen Europaabgeordneten. Schaut also nach, wer für Euch im
Europaparlament sitzt. Direkt anrufen ist am sinnvollsten, meist hat man
einen Mitarbeiter am Telefon, wenn man Glück hat, auch den Abgeordneten.
Faxe schreiben ist auch gut, ein Fax halten die Mitarbeiter in der Hand
und müssten sich das erstmal durchlesen. Mails sind leider nicht sehr
effektiv, da die Abgeordneten viel mehr Mails als Faxe und Telefonanrufe
bekommen. Wichtig ist vor allem, höflich und argumentativ am Telefon zu
sein. Ihr wollt ja jemanden überzeugen und nicht beschimpfen!
Verbreitet die Nachricht weiter und mobilisiert mehr Menschen, sich
jetzt gegen eine Vorratsdatenspeicherung und damit eine flächendeckende
Überwachungsinfrastruktur in Europa einzusetzen. Nächste Woche ist es zu
spät und dann können wir nur noch auf die Gerichte hoffen.
Hier ist ein aktuller Artikel aus der Zeit über die
Vorratsdatenspeicherung und was sie bedeuten wird: [Jeder unter
Verdacht.](http://www.zeit.de/2005/49/Vorratsspeicherung) Über eine
gestrige Anhörung im Europaparlament berichtet Reuters: Compromise on EU
data storage rules spurs backlash. Die meisten Informationen hält [das
Wiki](http://wiki.dataretentionisnosolution.com:81/index.php/Main_Page)
unserer "[Data retention is no
solution](http://www.dataretentionisnosolution.com)"-Kampagne bereit.
Viele Informationen bietet auch
[netzpolitik.org](http://www.netzpolitik.org). Am einfachsten findet man
diese, wenn man "Vorratsdatenspeicherung" in die Such-Maske eingibt.
Heise fasst die neuesten Entwicklungen auch nochmal zusammen:
[Abstimmungskrimi bei Richtlinie zur Überwachung der Telekommunikation
erwartet.](http://www.heise.de/newsticker/meldung/67133)
|