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title: Keine Dauerbeschattung des Autobahnverkehrs!
date: 2005-11-28 00:00:00 
updated: 2009-04-18 19:12:38 
author: admin
tags: update


Der Chaos Computer Club (CCC) wendet sich gegen die von Bundesinnenminister Schäuble (CDU) geäußerten Gedanken, die Autobahnmaut zur Fahndung und Überwachung zu nutzen. Der CCC fordert die Bundesregierung auf, Pläne zur Änderung des Mautgesetzes vom Tisch zu nehmen und den Einsatz der Kontrolldaten weiterhin nur im Rahmen der Mautabrechnung zu erlauben. Damit erneuert der CCC seine Kritik an den datenschutzrechtlich bedenklichen Teilen des deutschen Mautsystems.


<!-- TEASER_END -->

Auf Schäubles Initiative hin sollen die bisherigen gesetzlichen
Regelungen zum Datenschutz bei Mautkontrollen ausgehöhlt werden. Die
damit anfallenden Bewegungsprofile aller Autobahnbenutzer kämen nach
Einschätzung des CCC einer Dauerbeschattung des Autobahnverkehrs gleich.

Bei der Kontrolle der LKW-Maut auf bundesdeutschen Autobahnen werden
bisher stichprobenartig Überprüfungen an automatischen Kontrollpunkten
(Mautbrücken) vorgenommen. Dabei werden von allen durchfahrenden
Fahrzeugen Frontalbilder aufgenommen. Bei einem anschliessenden
Durchgang wird aufgrund der Fahrzeugabmessungen entschieden, ob es sich
um einen mautpflichtigen LKW handelt, Datensätze von
nicht-mautpflichtigen Fahrzeugen werden nach den Maßgaben des
Mautgesetzes sofort gelöscht. Auf dem Foto eines mautpflichtigen
Fahrzeugs wird anschließend vom Erkennungscomputer per Schrifterkennung
(OCR) das Nummernschild ausgelesen. Es besteht die technische (aber
nicht legale) Möglichkeit, die Daten aller Fahrzeuge an die Zentrale zu
melden.

Bereits im November 2003 hatte der CCC vor einer drohenden totalen
Verkehrsüberwachung, die durch die LKW-Maut möglich wurde, gewarnt. Die
[Erklärung](/de/press/releases/2003/CCC20031104?language=de) erfolgte
zusammen mit den Bürgerrechtsgruppen Forum InformatikerInnen für Frieden
und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), Internationale Liga für
Menschenrechte (ILfM), Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten
und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD), Fördervein Informationstechnik
und Gesellschaft (FITUG), Humanistische Union (HU) und der Deutschen
Vereinigung für Datenschutz (DVD). Die jetzigen Pläne des Innenministers
bestätigen die damaligen Befürchtungen auf ganzer Linie. Nach Ansicht
des CCC drängt sich hier der Verdacht auf, dass das Mautkontrollsystem
von Anfang an nicht für die angeblichen Praxiszwecke der Abrechnung
geplant war, da es ansonsten auch kostendeckend produziert hätte werden
können.

Nach Meinung des CCC rechtfertigt der Wunsch nach Fahndungserfolgen
keine Abschaffung des Datenschutzes und den Angriff auf Grundrechte.
Eine Dauerbeschattung aller Verkehrsteilnehmer hätte nach Einschätzung
von Datenschützern langanhaltend schädliche Auswirkungen auf das
öffentliche Leben. Unter dem Eindruck ständiger Überwachung würde sich
das Verhalten der Menschen ändern, um der ständigen Beobachtung durch
den Staat zu entgehen. Am Ende würde an die Stelle von demokratisch
wachen Staatsbürgern der undemokratische Überwachungsstaat treten.

Der erst vor wenigen Tagen vereidigte Innenminister hat hier bei den
ersten Orientierungsversuchen im neuen Amt deutlich den Bogen
überspannt. Sein Vorhaben ist dabei auch parteiintern umstritten: Schon
im Mai 2005 wies der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im
nordrhein-westfälischen Landtag, Heinz Hardt, gegenüber dem WDR auf die
mangelnde Demokratieverträglichkeit solcher Forderungen hin ("Der Bürger
hat ein Anrecht darauf, dass nicht alles verfügbar gemacht wird") und
verwies auf die immensen Kosten, die ein Einsatz der Mautdaten für die
Fahndung mit sich bringen würde: "Ich stell mir die Mammut-Bürokratie
vor, all diese Daten auseinander zu fieseln, um eventuell mal irgendwas
zu finden, ich glaube das ist jetzt des Guten zuviel."

Der CCC fordert die neue Bundesregierung auf, die datenschutzrechtlichen
Bestimmungen des Mautgesetzes nicht anzutasten und den nicht
finanzierbaren Datensammelphantasien Schäubles eine Absage zu erteilen.
Die nach wie vor bestehenden Mißbrauchsmöglichenkeiten des
Mautkontrollsystems sollte die Bundesregierung nach Meinung des CCC eher
zum Anlass nehmen, über ein Konzept zur Demontage der Mautbrücken
nachzudenken.