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title: Farbe bekennen gegen Rechts
date: 2005-05-08 00:00:00 
updated: 2019-12-26 15:40:58 
author: vorstand
tags: update, hackerethik

## Ausgangslage

Die Welt hat sich in den letzten 23 Jahren verändert seitdem der Chaos
Computer Club angetreten ist, die Wirkung von technologischer
Entwicklung auf Menschen und Gesellschaft zu begleiten. Technik und
elektronische Kommunikation sind in Unternehmen, Verwaltung und
Unterhaltung inzwischen eine treibende Kraft und ermöglichen erst viele
neue Entwicklungen.

Der schöpferisch-kritische Umgang mit Computern ist damit kein Thema für
wenige Spezialisten mehr, ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit der meisten
Menschen. Im gleichen Maße, wie sich die Öffentlichkeit mit dem Hacken
beschäftigt, steigt für die Hacker und Haecksen der Anspruch, Werte zu
vermitteln und im eigenen Interesse die Gesellschaft zu beeinflussen.

## Das Hacken {#hacken}

Der CCC hat immer klargestellt, daß mit dem Hacken eine Verpflichtung
zum sorgsamen Verhalten eingegangen werden muß. Die Ansprüche an den
Umgang mit den gewonnenen Daten – private Daten schützen und öffentliche
Daten nützen – gelten für alle, also auch für Unternehmen und
Verwaltung.

Aber auch für die Hacker selbst ist die Hackerethik mehr als eine
unverbindliche Anleitung zum moralischen Handeln. Sie fordert uns auf,
die scheinbaren Gegebenheiten zu hinterfragen und Autoritäten zu
mißtrauen, denn hinter dem Schein liegt die Wahrheit. Hacker
abstrahieren von Äußerlichkeiten, sie optimieren Strukturen und Abläufe,
um damit auch unsere Gesellschaft aktiv zu formen.

In beinahe naiver Überzeugung sind wir bisher davon ausgegangen, daß
allein die Auseinandersetzung mit der Maschine die Nutzer befreit und
auf Dauer dazu fährt, unsere Welt für alle Menschen besser zu machen.

## Der Club {#club}

Offenheit war stets ein Prinzip des Chaos Computer Clubs, was sich darin
äußert, daß wir Menschen mit neuen Positionen gerne aufgenommen haben,
solange sie nicht mit unseren bisherigen Positionen in Konflikt geraten
sind. Damit sind wir auch gut gefahren, weil es den Club um neue Themen
bereichert hat. Große Themen wie Bürgerrechte, die Beschäftigung mit
Freier Software und Urheberrechten oder Blinkenlights wurden so möglich,
die den "Hackerverein" der 80er erweitert haben.

Offenheit ist aber keine Beliebigkeit. Gerade weil sich die Offenheit
als nützlich herausgestellt hat, darf man dennoch nicht die Grenzen und
unsere historischen Wurzeln vergessen, gerade in einer Zeit, in der
nationalistische Inhalte immer mehr in die Mitte der Gesellschaft
drängen und die Mitte sich immer mehr im rechten Extremismus, der
rassistischen Ausgrenzung und sozialen Ausbeutung verliert.

## Technikverliebtheit und der 8. Mai 1945 {#technikverliebtheit}

Vor sechzig Jahren, am 8. Mai 1945, befreiten die Alliierten Deutschland
von der Herrschaft der Nationalsozialisten. Um die deutsche Mordmaschine
zu stoppen, blieb am Ende keine andere Option mehr als die vollständige
militärische Niederschlagung. Auch angesichts der Tatsache, daß die
Logistik des Holocausts durch Hollerith-Lochkartenmaschinen
vorangetrieben wurde, Züge auf ausgeklügelten Eisenbahnnetzen in die
Vernichtungslager rollten und technikverliebte Nazi-Ingenieure an
"Vergeltungswaffen" bastelten, ist heute klar, daß vollkommen wertfreie
und ohne Blick auf gesellschaftliche Folgen geführte Gespräche über die
reine Technik um ihrer Selbst willen nicht mehr möglich sind. Es geht
beim Hacken um weit mehr als um Lötkolben und gcc, es geht auch um den
Traum von einer besseren und freien Gesellschaft. Der Horizont der
Hackerin und des Hackers geht weit über den Bildschirmrand hinaus.

## Die Erklärung {#erklaerung}

Wir sind eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von
Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung,
offen für alle mit neuen Ideen. Wer jedoch mit Ideen von Rassismus,
Ausgrenzung und damit verbundener struktureller und körperlicher Gewalt
auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der
Akzeptanzgrenze. Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser
Gesellschaft zu zerstören und auf eine alternative Gesellschaft
hinarbeitet, deren Grundsätze auf Chauvinismus und Nationalismus
beruhen, arbeitet gegen die moralischen Grundsätze, die uns als Club
verbinden.

Der CCC erklärt das Vertreten von Rassismus und von der Verharmlosung
der historischen und aktuellen faschistischen Gewalt für unvereinbar mit
einer Mitgliedschaft. Dazu gehören insbesondere die Mitgliedschaft in
oder Unterstützung einer rechtsextremen oder rechtsradikalen
Organisation. Darunter verstehen wir neben zahlreichen "Freien
Kameradschaften" auch beispielsweise Gruppen wie die "Deutsche Liga für
Volk und Heimat", DVU, FPÖ, die "Hilfsgemeinschaft Nationaler
Gefangener", Lijst Pim Fortuyn (Partij LPF), NPD, ProKöln und
Republikaner.