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title: CCC: Kabinett verspielt beim Entwurf zum Urheberrecht die Weichenstellung für die Zukunft und kriminalisiert die Schulhöfe
date: 2006-03-22 00:00:00
updated: 2009-12-09 00:38:16
author: admin
tags: update, urheberrecht
Zum heutigen Kabinettsentwurf des sogenannten "zweiten Korbs" der Urheberrechtsnovelle drückt der Chaos Computer Club e.V. (CCC) seine tiefe Enttäuschung über das kurzsichtige Handeln der Bundesregierung und ihre weitgehende Ignoranz gegenüber Verbraucherinteressen aus. Nach Ansicht des CCC führt insbesondere die Streichung der Bagatellklausel aus dem Entwurf zu einer Kriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten. Den Buchstaben des Entwurfes folgend müsste es nach Inkrafttreten des Gesetzes zu einer Verhaftungswelle auf den Schulhöfen kommen.
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Mit dem Kabinettsentwurf wird deutlich, dass die Lobbymacht der
Rechteverwerter am Ende stark genug war, um Jusitizministerin Brigitte
Zypries (SPD) einknicken zu lassen. Die von ihr selbst als Kompromiss in
die Debatte eingebrachte Bagatellklausel für das geringfügige Anbieten
und Herunterladen von Medien in Dateitauschdiensten fehlt nun
vollständig. Weitere Verbraucherrechte werden in dem Entwurf ebenfalls
nicht beachtet, das Papier liest sich streckenweise wie eine Wunschliste
der Unterhaltungsindustrie. Weiterhin bleibt das Lippenbekenntnis zur
Privatkopie bestehen, die Verbraucherrechte laufen allerdings sofort ins
Leere, wenn die Industrie ihre Produkte mit Digitalem Rechtemanagement
(DRM) ausstattet und das Anfertigen von Kopien somit zur strafbaren
"Umgehung von Kopierschutzmechanismen" macht.
Auf weitere Probleme mit DRM für die Verbraucher geht der Entwurf
ebenfalls nicht ein. Nach Ansicht des CCC fehlt das klare Bekenntnis zu
Interoperabilität und Datenschutz. So schreibt der Entwurf -- anders als
im Nachbarland Frankreich kürzlich beschlossen -- nicht vor, dass beim
Einsatz von DRM Hersteller auch Schnittstellen bereitstellen müssen, um
DRM-behaftete Medien zu sichern. Der Verbraucher muss in Kauf nehmen,
dass er seine digitale Musiksammlung mit DRM verliert, wenn sein
Abspielgerät kaputt geht. Auch dem Streben der Industrie, DRM zum
Ausspähen von Kunden einzusetzen, muss ein Riegel vorgeschoben werden.
Informationen aus DRM dürfen nicht benutzt werden, die Art und Weise
sowie die Intensität des privaten Werkgenusses aufzuzeichnen oder an
eine zentrale Stelle zu übermitteln. Dabei handelt es sich nicht um
Gedankenspiele. Ende 2005 brachte die Firma Sony mehrere DRM-behaftete
CDs auf den Markt, die auf den Computern von nichtsahnenden Verbrauchern
virenähnliche Schadprogramme einnisteten. Eine generelle
Kennzeichnungspflicht für mit DRM versehene Medien ist dringend geboten.
In Form und Gestaltung sollte sich diese an den Warnhinweisen auf
Zigarettenpackungen orientieren.
Der Chaos Computer Club fordert die verantwortlichen Politiker in den
Ausschüssen und in Bundestag und Bundesrat auf, dem vorliegenden
Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen. Die Folgen für die Zukunft der
digitalen Gesellschaft wären fatal. Verbraucherrechte wie Datenschutz
und das Recht auf Privatkopie dürfen nicht hinter Industrieinteressen
zurückstehen. Ein in sich widersprüchlicher Gesetzentwurf, der
einerseits ein bisschen Privatkopie erlaubt, andererseits jede
"Umgehung" kriminalisiert und den Rechteverwertern einen Blankoscheck in
Sachen DRM ausstellt, ist nicht hinnehmbar. Anstatt den Startschuss zu
geben zu einer zu erwartenden Überlastung der Gerichte durch die
massenhafte Verfolgung meist jugendlicher Filesharer, muss die Politik
in erster Linie den Verbraucher vor einer immer hemmungsloser werdenden
Rechteverwerterlobby schützen.
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