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title: Chaos Computer Club veröffentlicht Entwurf des BKA-Gesetzes
date: 2007-08-31 00:00:00 
updated: 2011-07-19 15:25:36 
author: webmaster
tags: update


Wie kürzlich bekannt wurde, ist die Online-Durchsuchung nur die Spitze des Eisbergs innerhalb der Planungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur Ausweitung der Überwachung der Bevölkerung. Dem Chaos Computer Club liegt ein anonym zugespielter Entwurf des neuen BKA-Gesetzes vor. Darin ist u. a. vorgesehen, dass der Einsatz des Bundestrojaners auch ohne die Genehmigung eines Richters erfolgen soll, der normalerweise bei einem Grundrechtseingriff dieser Art obligatorisch ist. Durch die weitgehenden Befugnisse für die Ermittler entsteht der Eindruck, der Bundesinnenminister ignoriere die Vorgaben des Grundgesetzes vollständig.


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Auch die Pflicht der Behörde, nach dem Ende von Überwachungsmaßnahmen
die betroffenen Bürger zu benachrichtigen, wird durch den Gesetzentwurf
weiter eingeschränkt. Wie es heute schon bei Telefon- und
Internetüberwachung gängige Praxis ist, wird der Ausspionierte also in
Zukunft von der Online-Durchsuchung nur in seltenen Ausnahmefällen
Kenntnis erlangen. Dies widerspricht den rechtsstaatlichen Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts. \[2\]

Das BKA soll zudem personenbezogene Daten auch aus den Datenbeständen
von Unternehmen erheben, speichern und verstärkt auf die
erkennungsdienstliche Behandlung zurückgreifen dürfen. Für Ermittlungen
ist der praktisch unregulierte Einsatz von Observationen auch mit Hilfe
technischer Mittel vorgesehen. Dies beinhaltet die akustische und
optische Überwachung der Betroffenen sowie den Einsatz von V-Leuten und
verdeckten Ermittlern auch innerhalb von Wohnungen. Zu diesem Zwecke
sollen Mitarbeiter des BKA auch Urkunden (wie z. B. E-Mails anderer
Behörden zur Übertragung von Trojanern) verändern und fälschen dürfen.
Ebenso wird das Recht eingeräumt, die Anfertigung von Lichtbildern und
Tonaufnahmen in Wohnungen Unbeteiligter vorzunehmen, sofern sich ein
Betroffener dort aufhält. Diese Maßnahmen werden auch den absolut
geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen. Eine
Unterbrechung von Aufnahmen, die intime Details eines Menschen
offenbaren würden, kann in Einzelfällen sogar unterbleiben.

Wenn das BKA-Gesetz in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird,
entsteht de facto eine Geheimpolizei, wie sie in Deutschland zuletzt in
der DDR existierte. Angesichts der sich häufenden Berichte über privaten
und behördlichen Mißbrauch von Überwachungsbefugnissen warnt der Chaos
Computer Club davor, dem Gesetz auch nur teilweise zuzustimmen. Das
Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten darf nicht weiter
ausgehöhlt werden.

Passend hierzu vermeldet die Berliner Zeitung vom Freitag eines der
zahlreichen Probleme behördlicher Überwachungsbefugnisse in der Praxis.
Durch die Ausweitung der technischen Möglichkeiten und die weitgehende
Automatisierung, die auf eine menschliche Überprüfung verzichtet, steigt
das Missbrauchspotential drastisch an. \[3\]

Der CCC übergibt der Öffentlichkeit das Dokument gerne zur Ansicht.
\[1\]

\[1\] [Der Entwurf des BKA-Gesetzes in der Version vom 11.07.2007 (6,5
MB, PDF)](/de/lobbying/papers/terrorlaws/20070711-BKATERROR.pdf)

\[2\] BVerfGE 109, 279 (363 ff.)

\[3\] [Beamter unter
Verdacht](http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0831/politik/0062/index.html)