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title: BGH-Entscheidung zur Online-Durchsuchung: Schnüffeln auf privaten Rechnern
date: 2007-02-04 00:00:00
updated: 2009-11-02 00:36:19
author: erdgeist
tags: update
Am Montag gibt der Bundesgerichtshof (BGH) seine Entscheidung zu sogenannten Online-Durchsuchungen bekannt. Entschieden wird, ob das heimliche Schnüffeln von Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten auf Privatrechnern auf der Grundlage bestehender Gesetze zulässig ist. Für den Fall, daß von den BGH-Richtern die Zulässigkeit verneint wird, haben Koalitionspolitiker bereits angekündigt, den Richterspruch zu ignorieren und eine gesetzliche Regelung zu schaffen, diese Maßnahme als normale polizeiliche Ermittungsmethode zuzulassen.
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Der Chaos Computer Club (CCC) lehnt derartige Online-Durchsuchungen
entschieden ab. Es wäre ein weiterer Schritt zur Abschaffung wichtiger
Grundrechte, insbesondere des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung. Derartige Maßnahmen sind selbst bei schwersten
Straftaten unverhältnismäßig. Die heimliche, auch automatisiert mögliche
Online-Schnüffelei als normale Ermittlungsmethode einzuführen,
widerspricht unserer Verfassung.
"Der Staat darf sich nicht der Methoden Krimineller bedienen, um
Straftaten aufzuklären", erklärt CCC-Sprecher Dirk Engling. "Tut er dies
doch, stellt er sich auf eine Stufe mit kriminellen Crackern und
verliert somit den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit."
Der verharmlosende Name "Online-Durchsuchung" hat nichts mit einer
Hausdurchsuchung im Sinne unserer Strafprozeßordnung zu tun, bei der es
ein nachvollziehbares Protokoll gibt und unabhängige Zeugen hinzugezogen
werden können. Der duchsuchende Beamte sichert vor Ort nur Unterlagen
und legt sie dem Staatsanwalt zur Bewertung vor. Anders bei der
Online-Durchsuchung: Der schnüffelnde Beamte sieht sich nicht nur
private Dateien an und liest die persönliche Kommunikation mit, sondern
bleibt gleich als dauerhafter Lauscher auf dem Rechner präsent.
Die Methode ist nur mit dem heimlichen Durchwühlen der Wohnung in
Abwesehnheit und ohne Wissen des Beschuldigten vergleichbar, was bei der
Staatsicherheit der ehemaligen DDR tägliche Praxis war. Auch der
vorgesehene Richtervorbehalt ändert nichts an der Schwere eines solchen
Eingriffs. Wie man derzeit am praktisch ungeprüften Durchwinken von
Abhöranträgen durch die Richterschaft sehen kann, schützt auch ein
Richtervorbehalt nicht vor der ungezügelten Anwendung eines schweren
Grundrechtseingriffs.
Die Behörden können mit Hilfe eines entsprechenden sogenannten
"Bundes-Trojaners" den heimischen Computer sogar komplett fernsteuern:
Webcam einschalten, akustische Raumüberwachung per Mikrofon, Abhören von
Internet-Telefonaten, Mitlesen von Chat und E-Mail, Live-Übertragung von
Webseitenabrufen – dagegen ist selbst der "Große Lauschangriff"
vergleichsweise minimal-invasiv. Denn die "Online-Durchsuchung" geht
weit über den Lauschangriff hinaus: Nicht nur das aktuell gesprochene
Wort wird registriert, sondern die Ermittler bekommen Zugriff auf
archivierte und möglicherweise verschlüsselte Daten, für die sonst ein
Zeugnisverweigerungsrecht besteht.
Besonders kritisch ist, daß ein solcher Angriff auch das Anlegen und
Verändern von Dateien auf dem "durchsuchten" Computer erlaubt.
Beweismittel können per Mausklick problemlos und spurenfrei auf dem
infiltrierten Rechner angelegt oder manipuliert werden. Dem Verdächtigen
bleibt im Zweifel keine Chance, eine Manipulation an seinem Computer
nachzuweisen. Heimlich eingeschmuggelte kinderpornografische Bilder
reichen bereits aus, um mißliebige Personen effektiv mundtot zu machen.
Der CCC weist darauf hin, daß technische Abwehrmaßnahmen wie Firewalls
und Virenscanner kaum Schutz vor einem solchen staatlichen
Schnüffelangriff bieten werden. Schon heute sind Angriffe im Bereich der
Industriespionage, die mit Hilfe von gezielt eingeschleusten Trojanern
ausgeführt werden, kaum abzuwehren. "Einen nachhaltigen Schutz des
heimischen Computers vor staatlichen Schnüfflern bietet nur eine klare
politische Absage an derartige Stasi-Methoden", sagt Dirk Engling. "Wir
warnen davor, sich nur auf einen aktuellen Virsenscanner oder die
Personal Firewall zu verlassen."
Besonders kritisch wird die Lage, wenn die Betriebssystem- und
Softwarehersteller sich vom Staat erpressen lassen und Updates für
Sicherheitslücken, die für einen Bundes-Trojaner geeignet sind,
absichtlich verzögern oder sogar spezielle Hintertüren für die Behörden
vorsehen. "Den Begehrlichkeiten der Behörden nach entsprechender
Unterstützung wird ein Softwarehersteller nur schwer widerstehen können,
wenn öffentliche Einrichtungen zum Kreis der wichtigen Kunden zählen",
ist sich Dirk Engling sicher.
Die Idee der heimlichen Online-Durchsuchung widerspricht diametral den
Bestrebungen der Bundesregierung nach mehr Computersicherheit. Die
privaten Rechner der Bürger werden durch den "Bundes-Trojaner" zu
offenen Scheunentoren für Schadprogramme aller Art. Denn wird von
staatlicher Seite die Behebung von Sicherheitslücken verzögert, um
solche Ermittlungsmaßnahmen vorzubereiten, würde dies auch Kriminellen
helfen, auf diesem Wege Schadprogramme zu verbreiten. Die Kriminalität
im Internet wird weiter zunehmen – vom Staat begünstigt.
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