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title: Chaos Computer Club fordert Erhalt der Freiheit im Netz
date: 2008-11-27 00:00:00 
updated: 2009-12-13 14:42:11 
author: erdgeist
tags: update, pressemitteilung, freedom

Das sogenannte Telekom-Paket ist eine umfassende Sammlung neuer Regelungen des Europäischen Parlaments für die Rechte von Verbrauchern auf dem Telekommunikationsmarkt. Neben vielen begrüßenswerten Neuregelungen zugunsten der Verbraucher sollen jedoch gleichzeitig die Nutzer von Tauschbörsen verfolgt und Internetsperrungen ermöglicht werden. Derweil planen deutsche Politiker die Einführung einer umfassenden Internet-Zensurinfrastruktur.

<!-- TEASER_END -->

Am heutigen Donnerstag wird der EU-Ministerrat das Telekom-Paket, das
aus mehreren neuen Richtlinien für elektronische Kommunikation (Mobil-
und Festnetztelefonie, Rundfunk und Internet) besteht, erneut
verhandeln. Eigentlich gehören Inhalte von Kommunikation nicht in den
Kompetenzbereich von europäischen Richtlinien, die Lobbyisten der Musik-
und Filmindustrie haben jedoch ganze Arbeit geleistet. Wird das
Telekom-Paket unverändert beschlossen, droht in zwei Jahren in
Deutschland eine weitere Verschärfung der systematischen Überwachung der
Telekommunikation und eine neue Jagd auf Filesharer bis hin zu
Internetentzug ohne richterlichen Beschluss.

Unter dem Deckmantel der Regulierung des Telekommunikationsmarktes
sollen in dem Paket grundlegende Freiheitsrechte der Europäer
beschnitten werden. Das Recht auf freien und ungehinderten Zugang zu
Kommunikation und Information wird dem Profitstreben der
Unterhaltungsmafia geopfert. Ohne Zugang zum Internet ist der Mehrheit
der Deutschen eine normale Lebensführung jedoch nicht mehr möglich. Ein
Studium an einer deutschen Universität ist z. B. ohne Internetnutzung
undurchführbar, da alle wesentlichen Informationen und
Verwaltungsvorgänge elektronisch übermittelt werden. Mit der Umsetzung
der von der Bundesregierung propagierten eGovernment-Ziele kommt ein
Ausschluss vom Internet de facto einem Entzug der Bürgerrechte gleich.

Zeitgleich versuchen konservative Internetausdrucker wie
Familienministerin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Michael
Glos unter der Flagge "Bekämpfung von Kinderpornographie" eine
flächendeckende Internet-Zensurinfrastruktur durchzudrücken. Der
CDU-Plan sieht vor, Provider zur Installation von Filtersystemen zu
verpflichten. Internet-Routerhersteller bieten solche Geräte gern zur
"Optimierung der Bandbreitennutzung" für Internetanbieter an. Dass sie
ohne weiteres zur Zensur beliebiger Internetinhalte benutzt werden
können, ist bislang kaum bekannt. Mit der durchgehenden Installation
solcher Zensurgeräte wäre das komplette Ausblenden missliebiger oder
oppositioneller Inhalte für den Normalnutzer problemlos möglich. Einzig
die Frage, wer nach welchen Kriterien die Zensurlisten verwaltet, ist
dann noch von Belang.

“Damit begeben sich Europa und Deutschland auf eine Stufe mit Diktaturen
und Unterdrückungsregimes, die ihre Bevölkerung nach eigenem Bekunden
auch nur vor 'schlechten Einflüssen' schützen wollen”, sagte
CCC-Sprecher Dirk Engling. “Die für Innovation, Fortschritt,
Meinungsfreiheit und gesellschaftliche Entwicklung zwingend notwendige
Netzneutralität wird damit ausgehebelt.”

Die Unterdrückung von Kinderporno-Seiten ist nur der Vorwand, um eine
solche Zensurinfrastruktur einzuführen. Gesellschaftliche Probleme wie
Kinderpornographie sind jedoch nicht durch Wegschauen und Ausblenden zu
lösen. Stattdessen müssen die Strafverfolgungsbehörden endlich mit
genügend Personal und Infrastruktur ausgerüstet werden, um effektiv und
gezielt gegen die Hersteller und Verbreiter von Kinderpornographie
vorzugehen. Die Regierung versucht hier wieder einmal, untaugliche und
ineffiziente Maßnahmen als Lösung zu verkaufen, anstatt ausreichend
Ressourcen für wirksame und zielführende Vorgehensweisen
bereitzustellen.

Der Chaos Computer Club wendet sich gegen jede Form der Einschränkung
des Zugangs zu ungehinderter Kommunikation und Information. Der freie
Informationsaustausch ist einer der Grundpfeiler der westlichen
Zivilisation und darf nicht Profitinteressen von Medienkonzernen oder
vorgeblicher Kriminalitätsbekämpfung geopfert werden. Anstatt den Zugang
zum Internet endlich als elementare Voraussetzung für die kulturelle
Teilhabe und Umsetzung des Menschenrechts auf Information und
Kommunikation anzuerkennen, diskutieren Politiker nach wie vor, unter
welchen Voraussetzungen Menschen von diesem Medium ausgeschlossen werden
können.

“Wieder einmal werden hier Geist und Buchstabe der Verfassung ignoriert.
Ob dies nun aus Unfähigkeit oder Böswilligkeit geschieht, ist
mittlerweile unerheblich geworden”, fasste CCC-Sprecher Dirk Engling
zusammen.