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title: Bayerische Kommunalwahl 2008: Computerisierte Auszählung mit Barcodes unsicher und intransparent
date: 2008-02-25 00:00:00 
updated: 2010-09-26 22:41:33 
author: presse
tags: update, pressemitteilung, voting

Der Chaos Computer Club (CCC) weist auf erhebliche Risiken beim Einsatz softwaregestützter Barcode-Auszählungssysteme bei den Bayerischen Kommunalwahlen hin. Bei den Wahlen am 2. März 2008 sollen mehr als 8.000 Barcode-Lesestifte und PCs für die Auszählung der Stimmzettel in den Wahllokalen verwendet werden.

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Bei der barcodegestützten Auszählung, die vor sechs Jahren bereits einen
ersten Testlauf in Bayern absolvierte, handelt es sich um ein System
bestehend aus Computer, Barcodescanner, USB-Stick und einer Software von
der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Die
einzelnen Komponenten sind trotz Lizenzierung des Verfahrens durch das
bayerische Innenministerium einfach manipulierbar; zusammen ergeben sie
ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Kommunalwahl am 2. März.

Für den Wahlvorstand, die Wahlhelfer und den Wähler ist es bei
Verwendung des Systems nicht möglich, die akkumulierten Stimmen bei der
Auszählung jederzeit einzusehen; dies ist nur an den Auszählstationen
mittels komplizierter Prozeduren machbar. Der Sprecher des CCC, Frank
Rieger, sagte dazu: “Kein Wahlhelfer hat realistisch während der
Auszählung einen fortlaufenden Überblick darüber, welcher Kandidat oder
welche Partei wieviele Stimmen erhalten hat. Eine Manipulation im
Hintergrund durch ein unsichtbares Schadprogramm ist unauffällig und
ohne weiteres realisierbar.” Zudem sind sowohl die Software als auch das
Endergebnis auf einem tragbaren USB-Stick gespeichert – auch hier ist
eine Manipulation einfach und mit geringem Entdeckungsrisiko
durchführbar.

Nach Aussage eines Schulungsleiters für das System könnten die
Wahlhelfer bei Benutzung des neuen Systems “die Hirne ausschalten, die
Software erledige alle Zählaufgaben”. Eine derartige Grundeinstellung
ist sicher nicht förderlich für eine demokratische, transparente Wahl.

Bei CCC-Recherchen in den Gemeinden stellte sich heraus, daß es keine
allgemeingültigen Richtlinien zur Behandlung der neuen computerisierten
Wahlauszählung gibt. Die Gemeinden bestimmen die Modalitäten der
Auszählung mit dem manipulationsanfälligen Barcodesystem also nach
Gutdünken. So lagert eine Gemeinde die Windows-Computer über Nacht
unbewacht in den Wahllokalen, während eine andere Gemeinde gar die
Wahlhelfer bittet, einen eigenen Rechner von zu Hause mitzubringen, auf
dem dann die Auszählungssoftware laufen soll. Die Barcodestifte selbst
sind denkbar einfach über spezielle Strichcodes umkonfigurierbar – dies
ist auch bei der Auszählung nicht abschaltbar. So kann ein einziger
manipulierter Stimmzettel in der Urne den Barcodestift, der für die
Auszählung benutzt wird, umprogrammieren.

“Es ist natürlich nachvollziehbar, daß die Gemeinden versuchen,
Hilfsmittel einzusetzen, um die Auszählung der Stimmzettel zu
beschleunigen. Dies darf jedoch kein Freibrief für den unkontrollierten
Einsatz von unausgereiften Risikotechnologien sein”, erläuterte
CCC-Sprecher Frank Rieger die kritische Haltung des CCC. Bedingt durch
die offenkundigen Mängel des Systems erscheint es ungeeignet, eine
transparente Wahlauszählung, die von jedermann eingesehen werden kann,
zu gewährleisten.

Die Gemeinden in Bayern sind ob dieser Neuerungen sichtlich nervös, denn
die bereits angeschaffte Soft- und Hardware bringt Sicherheitsrisiken,
wo vorher keine vorhanden waren. Einem technisch interessierten
CCC-Mitglied wurde mitgeteilt, daß er als Wahlhelfer nicht mehr
erwünscht sei, nachdem er Informationen aus seiner Wahlhelfer-Schulung
im Netz öffentlich gemacht hatte. Anscheinend möchten hier
Verantwortliche in Bayern Sicherheit durch Verschweigen herstellen. Nur
ist die so erlangte Sicherheit immer eine trügerische – demokratisch und
transparent ist dieses Verhalten jedenfalls nicht. Der CCC ruft die
Gemeinden dazu auf, das barcodegestützte Auszählverfahren wegen der
unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken nicht zu benutzen und stattdessen
per Hand auszuzählen.

Im Gegensatz zu den NEDAP-Wahlcomputern ist beim Barcode-Verfahren
immerhin noch ein per Hand auszählbarer Stimmzettel vorhanden, der
endgültiger Ausdruck des Wählerwillens ist. Sollten die Gemeinden
dennoch auf das risikobehaftete System setzen, ruft der CCC alle Wähler
dazu auf, an möglichst vielen Orten eine Handnachzählung ausdrücklich zu
verlangen.