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title: Genetische Daten in Ausweispapieren
date: 2012-06-07 21:43:00 
updated: 2012-06-07 23:21:28 
author: office
tags: update, pressemitteilung

Seit die Bürger vor mehr als sechs Jahren zur obligatorischen Teilnahme am biometrischen Großversuch herangezogen wurden, gibt es jede Menge unbeantwortete Fragen zu den in Ausweispapieren gespeicherten biometrischen Merkmalen. Nun plant die Regierung offenbar, auch genetische Daten in unsere Ausweise und Aufenthaltskarten aufzunehmen. Wir hätten vorher gern erstmal ein paar Antworten.

<!-- TEASER_END -->

Seit Jahren wird uns der elektronische Personalausweis als der sicherste
der Welt verkauft, unmöglich zu fälschen, den saftigen
Biometrie-Aufpreis und die Beschneidung der grundrechtlich verankerten
informationellen Selbstbestimmung wert. Doch jetzt soll ein weiterer
Vorstoß unternommen werden, den Ausweis noch "sicherer" zu machen, indem
mehr biometrische Merkmale erhoben und gespeichert werden sollen:
DNA-Daten.

Gemeinsam mit Jan Korte und der Bundestagsfraktion der Linken haben wir
der Bundesregierung dazu einige Fragen gestellt: Gibt es meßbare
Vorteile durch die Speicherung unserer DNA auf den Ausweisen? Welche und
wieviele Fälschungen und Verfälschungen gibt es? Worauf fußt die
Behauptung, noch mehr Biometrie brächte mehr Sicherheit? Wie mißt man
diese "Sicherheit" überhaupt? Was soll uns der Spaß diesmal kosten?

Um auf diese und weitere Fragen Antworten zu bekommen, hat die
Linksfraktion den umfangreichen Fragenkatalog als Kleine Anfrage
"Nutzung biometrischer und genetischer Daten im elektronischen
Personalausweis" \[1\] an die Bundesregierung gestellt, die Aufschluß
über die Pläne für weitere biometrische und genetische Daten in
Ausweisdokumenten geben und hoffentlich zu einer Versachlichung der
Diskussion führen wird.

"Wir möchten von der Bundesregierung wissen, ob sie unsere Steuermittel
weiterhin in sinnlose Profitmaximierungsprojekte von
privatwirtschaftlichen Unternehmen der Biometrie-, RFID- und
Sicherheitsindustrie zu pumpen gedenkt", sagte Dirk Engling, Sprecher
des Chaos Computer Clubs (CCC). "Der Nutzen der Biometrie in
Ausweispapieren ist nach wie vor unbelegt, von der Aufnahme genetischer
Daten ganz zu schweigen. Das kann aus unserer Sicht einzig dem Aufbau
umfangreicher staatlicher Biometriedatenbanken dienen."

Die Biometrieprojekte der Bundesregierung nützen niemandem, außer den
beteiligten Unternehmen. Allein für das nutzlose "IT-Sicherheitskit" für
die elektronische Ausweiskarte, das auf den Meldeämtern bereitgestellt
wird und gefühlte Sicherheit simulieren soll, zahlte der Bund 24
Millionen Euro. Trotz intensiver Bemühungen, die Ausweiskarte
kommerziellen Anbietern schmackhaft zu machen, hat der elektronische
Personalausweis weiterhin enorme Akzeptanzprobleme – ein Mißerfolg auf
ganzer Linie.

Es müssen endlich nachprüfbare Kriterien vorgelegt werden, anhand derer
der Erfolg oder Mißerfolg der Biometrie-Experimente für jedermann
nachvollziehbar wird und die zukünftig zu einer Entscheidung über die
Durchführung weiterer Experimente herangezogen werden können. Die
Gefahren des unbefugten Auslesens und der mißbräuchlichen Verwendung von
Biometriedaten müssen dabei einem etwaigen Nutzen gegenübergestellt
werden.

"Die zwangsweise Abgabe von Fingerabdrücken in Ausweispapieren stellte
bereits die Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Die
Vorstellung, daß in gar nicht allzu ferner Zukunft staatliche Stellen
einen unkontrollierbaren Vollzugriff auf die genetischen Daten der
Bevölkerung haben, ist jedoch mehr als gruselig", erklärt Jan Korte,
Mitglied im Vorstand der Fraktion Die Linke. "Der 'gläserne' Mensch, wie
ihn offenbar Vertreter von Bundesregierung und Sicherheitsbehörden
anstreben, kann für Die Linke niemals ein hinnehmbares Leitbild sein.
Wir verlangen daher eine umfassende Auskunft über Pläne und bereits
laufende Forschung in diesem Bereich."

"Wir würden gern wissen, auf welche Weise die genetischen Proben für den
Ausweis gesammelt werden sollen", sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. "Wir
sind gespannt, ob die Bundesregierung in Zukunft auch hochauflösende
Bilder der Arschrosetten der Bürger erheben und speichern möchte."

Wir warten nicht nur auf die Antworten der Bundesregierung, die bis 19.
Juni 2012 erwartet werden, sondern ebenso auf die Entscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union über eine Klage des Rechtsanwalts
Michael Schwarz. Der Jurist betreibt bereits seit Ende 2007 ein
Gerichtsverfahren mit dem Ziel, einen Reisepaß ohne Fingerabdrücke
ausgestellt zu bekommen.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte nach jahrelanger Obstruktion
am 30. März 2012 mitgeteilt, mit einem Vorlagebeschluß den Gerichtshof
die Frage der Gültigkeit der zugrundeliegenden EG-Verordnung vom 13.
Dezember 2004 (Nr. 2252/2004) klären zu lassen. Ob die
Fingerabdruckpflicht in Zukunft Bestand haben wird, ist damit nach fünf
Jahren des Wartens wieder offen.

**Links**:

\[1\] Nutzung biometrischer und genetischer Daten im elektronischen
Personalausweis, Drucksache 17/9864:
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/098/1709864.pdf>