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title: Nichtregierungsorganisationen mahnen zur Wahrung freiheitlicher Werte
date: 2015-01-12 11:27:00 
updated: 2015-01-19 02:50:46 
author: admin
tags: update, vorratsdatenspeicherung

Gemeinsame Erklärung des Chaos Computer Clubs, der Humanistischen Union, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins und des Digitale Gesellschaft e. V.

<!-- TEASER_END -->

Am 7. Januar 2015 ereignete sich in Paris ein Mordanschlag auf mehrere
Mitarbeiter des Satire-Magazins “Charlie Hebdo”. Unsere Gedanken sind
bei den Opfern, ihren Familien und Freunden. Wir verurteilen diesen
mehrfachen Mord als unerträglich und werten ihn als Anschlag auf die
Pressefreiheit, auf die Freiheit der Gedanken und die Freiheit der
Ausdrucksformen von Gesellschaftskritik.\
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Die Reaktion auf eine solche Tat stellt eine demokratische Gesellschaft
auf eine harte Probe. Emotionale Reaktionen auf einen solchen Schrecken
sind vor allem eines: menschlich. Doch Emotionen dürfen nicht die
Debatte und Politik bestimmen. Wer jetzt versucht, den Schock des
Mordanschlags politisch auszunutzen und “Anti-Terror-Gesetze” aus der
Schublade zu holen, kann vielleicht auf medialen und gesellschaftlichen
Zuspruch hoffen.\
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Doch es ist der falsche Weg mit Gesetzen zu reagieren, die mehr
“Sicherheit” vorgaukeln, aber letztlich nur die Freiheit an sich
einschränken werden. Niemandem darf signalisiert werden, daß man mit
Mordanschlägen Freiheitsrechte wegschießen könne. Ohnehin gäbe es keine
sinnvolle gesetzliche Reaktion auf die Morde, die das Leben der Opfer
hätte retten können. Wir dürfen nicht vergessen, daß Frankreich zu den
europäischen Ländern mit den schärfsten Sicherheitsgesetzen zählt, schon
2006 Vorratsdatenspeicherung, Überwachung von Fluggastdaten und
flächendeckende Videoüberwachung einführte und diese Maßnahmen trotzdem
nicht zur Verhinderung der Tat führten. Wer angesichts dessen nun
gleichwohl die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung fordert,
instrumentalisiert die Opfer dieses abscheulichen Verbrechens für seine
Zwecke und trägt zur Irreführung der Öffentlichkeit bei.\
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Den in solchen Situationen gern wiederholten Forderungskatalog der
Polizeien, der Geheimdienste, ihrer kommerziellen Helfer und ihrer
politischen Vertreterinnen und Vertreter nach weitreichenden
Menschenrechtseinschränkungen zeichnet vor allem eines aus: unbewiesene
oder gar nachweislich falsche Behauptungen über seine angebliche
Wirksamkeit gegen terroristische Anschläge. Im direkten Angesicht des
Verbrechens rational zu reagieren, kann nur bedeuten, unmenschlichen
Taten Besonnenheit und Gelassenheit entgegenzusetzen. Es muß gelingen,
zu einer evidenzbasierten, menschenrechtsorientierten Sicherheitspolitik
zurückzukehren, die Prävention, Wirksamkeit, Angemessenheit,
Verhältnismäßigkeit und rechtsstaatliche Prinzipien ins Zentrum der
Diskussion stellt.\
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Auch in Anbetracht von Anschlägen dürfen die Grundfesten der Demokratie
niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern
und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher
Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft
indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die
Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und
der Folgen, die er mit sich bringt.\
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Wir haben großen Respekt vor den Worten des damaligen norwegischen
Ministerpräsidenten Stoltenberg, der nach dem Anschlag von Oslo und den
Morden von Utøya sagte: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere
Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr
Offenheit, mehr Menschlichkeit.”