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title: Generalbundesanwalt verschleppt Ermittlungen wegen NSA-Massenüberwachung
date: 2015-07-11 18:55:00 
updated: 2015-07-16 15:58:44 
author: 46halbe
tags: update, pressemitteilung, nsa, range

Der Generalbundesanwalt hat sich nach langem Schweigen zur Strafanzeige mehrerer Bürgerrechtsorganisationen gegen die Bundesregierung wegen des massenhaften Ausspionierens der Bevölkerung durch Geheimdienste geäußert. Er zögert die Einleitung eines Ermittlungsverfahren aber weiter hinaus. Wir veröffentlichen das Schreiben. [0]

<!-- TEASER_END -->

Auf erneuten Druck unserer Rechtsanwälte ist das Schreiben des
Generalbundesanwalts (GBA) Harald Range die Antwort auf die Strafanzeige
der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILMR), des Chaos Computer
Clubs (CCC), des Digitalcourage e. V. und vier Einzelpersonen vom 3.
Februar 2014. Sie richtet sich gegen die Bundesregierung und beinhaltet
die Vorwürfe strafbarer geheimdienstlicher Agententätigkeiten sowie
Beihilfe hierzu, Verletzungen des persönlichen Lebens- und
Geheimbereichs und Strafvereitelung im Amt durch Duldung und
Kooperation. \[1\]

Fast eineinhalb Jahre nach der Strafanzeige reagierte der
Generalbundesanwalt nun erstmals inhaltlich und ausführlicher mit einem
Schreiben, in dem er erläuterte, warum er derzeit kein offizielles
Ermittlungsverfahren einleiten will, allerdings Hinweise weiter geprüft
würden. Eine abschließende Entscheidung zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens sei noch nicht ergangen.

Er begründete darin seine anhaltende Inaktivität mit dem „Fehlen an
zureichenden und tatsächlichen Anhaltspunkten“ für Straftaten. Während
der GBA lang und breit in Bezug auf das Ausspionieren von Merkels
Mobiltelefon ausführte, daß er keinerlei Ansätze für Ermittlungen sah,
veröffentlichte Wikileaks bereits weitere Beweise für das umfassende
Ausspionieren durch die Geheimdienste. \[2\],\[5\] Range sah sich jedoch
außer Stande, „Zugangsmöglichkeiten zu den von Edward Snowden an
verschiedene Medien übergebenen ‚Original‘-Dokumenten“ zu erlangen. Die
in der Strafanzeige und weiteren Schriftsätzen von uns ausführlich
dokumentierten Belege für die Totalüberwachung der Bevölkerung waren ihm
nur zwei dürftige Absätze wert.

CCC-Sprecher Falk Garbsch erklärt dazu: „Jeder Zeitungsleser weiß
offenbar mehr über die Spionage gegen Bevölkerung und Regierung als der
Generalbundesanwalt. Seine Arbeitsverweigerung ist ein rein politisches
Versagen. Offensichtliche Fakten und Belege werden ignoriert.“

Die Bürgerrechtsorganisationen fordern daher nochmals nachdrücklich, daß
der Generalbundesanwalt seinen Pflichten als oberster Ankläger endlich
nachkommt und unverzüglich Strafermittlungen einleitet, die gebotenen
Beweise erhebt und insbesondere Edward Snowden als sachverständigen
Zeugen vernimmt.

Die Präsidentin der ILMR, Fanny-Michaela Reisin, kommentiert die
Verschleppung der Ermittlungen durch den GBA: „Die Liga kritisiert seit
Jahren die Unverträglichkeit von Geheimdiensten mit Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie. Dass die Bundeskanzlerin und ihre Regierung mit Bezug
auf Geheimverträge unverhohlen vor unser aller Augen geltendes
Verfassungsrecht bricht und auch noch die Gewaltenteilung aussetzt, ist
genauso unerträglich wie die Blockade der nach den Snowden-Enthüllungen
zwingend erforderlichen Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft. Das
erinnert an Regierungshandeln der Weimarer Republik, das totalitären
Verhältnissen den Weg bereitete.“

**Links**:

-   \[0\] Antwort des Generalbundesanwalts auf die Strafanzeige vom 3.
    Februar 2014:
    [https://www.ccc.de/system/uploads/190/original/GBA-redacted.pdf](/system/uploads/190/original/GBA-redacted.pdf)
-   \[1\] Chaos Computer Club erstattet Strafanzeige gegen die
    Bundesregierung:
    [https://www.ccc.de/de/updates/2014/complaint](/de/updates/2014/complaint)
-   \[2\] All The Chancellor’s Men:
    <https://www.wikileaks.org/nsa-germany/selectors.html>
-   \[3\] Strafanzeige gegen Massenüberwachung der Geheimdienste: Wir
    lassen nicht locker:
    [https://www.ccc.de/de/updates/2015/gba3](/de/updates/2015/gba3)
-   \[4\] Neue Dokumente belegen Überwachung: CCC erweitert Strafanzeige
    gegen Geheimdienste und Bundesregierung:
    [https://www.ccc.de/de/updates/2014/tor-gba](/de/updates/2014/tor-gba)
-   \[5\] [German prosecutors launch investigation of spying
    charges](http://www.reuters.com/article/2015/05/03/us-germany-spying-nsa-idUSKBN0NO0G820150503),
    Mai 2015

 

**Hintergrund**:\
Am 3. Februar 2014 ist namens der Internationalen Liga für
Menschenrechte e. V., des Chaos Computer Clubs e. V. und von
Digitalcourage e. V. sowie mehreren unmittelbar Verletzten Strafanzeige
gegen US-amerikanische, britische und deutsche Geheimdienstagenten und
ihre Vorgesetzten, die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, des
Bundesamtes für Verfassungsschutz und Militärischen Abschirmdienstes
sowie gegen den Bundesinnenminister, die Bundeskanzlerin und weitere
Verantwortliche erhoben worden. Der Strafanzeige haben sich in der
Folgezeit sechs weitere NGOs und 1.848 Einzelpersonen angeschlossen.

Mit einem weiteren Schreiben an den Generalbundesanwalt vom 4. Juni 2014
wurde die Strafanzeige erweitert. Grundlage waren Veröffentlichungen
über Operationen der NSA, die einen vom CCC betriebenen Server des
Anonymisierungsnetzes Tor gezielt erfaßt und gespeichert hatten.

Nach weiteren zahlreichen Veröffentlichungen und anhaltender Untätigkeit
des GBA erweiterten die NGOs anläßlich des zweiten Snowden-Jubiläums die
Strafanzeige erneut.

Für weitere rechtliche Informationen stehen die Rechtsanwälte
H.-Eberhard Schultz und Claus Förster Tel.: 030/43725026 (außerhalb der
Bürozeiten unter 0172 4203768) zur Verfügung.