summaryrefslogtreecommitdiff
path: root/updates/2020/bverfg-geheimdienstkontrolle.md
blob: 1b90dcf5e81e9803f8dab0c7d1e5ee591d180668 (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
title: Bundesverfassungsgericht verlangt Ausbau der Geheimdienstkontrolle
date: 2020-05-19 13:19:45 
updated: 2020-05-19 13:19:45 
author: erdgeist
tags: update, pressemitteilung

Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND muss sich künftig besser kontrollieren lassen, darf aber die Massenüberwachung der Telekommunikation fortführen. Dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem heutigen Urteil erneut ins Stammbuch geschrieben, wie eklatant er beim BND-Gesetz die Grundrechte missachtet hat.

<!-- TEASER_END -->

Mit seinem Urteil \[1\] zum BND-Gesetz hat das Bundesverfassungsgericht
heute die unbeschränkte massenhafte Kommunikationsüberwachung durch den
Bundesnachrichtendienst als grundgesetzwidrig erkannt. Das Urteil
beendet den bisherigen Ansatz der Massenüberwachung, bei der der
Geheimdienst im Wesentlichen nach eigenem Gutdünken und ohne effektive
Kontrolle agieren konnte und Nicht-Deutsche als Überwachungsfreiwild
galten. Die Vorschriften des Urteils für eine zukünftige Regelung sehen
eine unabhängige und umfangreiche Kontrolle der geheimdienstlichen
Überwachungsmaßnahmen vor. Dafür muss eine entsprechende Instanz
aufgebaut werden.

Zwar hat das Gericht durch die Anerkennung der Grundrechte auch für
Ausländer einen Pflock für die Menschenrechte eingeschlagen, erlaubt
aber eine Weiterführung der bisherigen Massenüberwachung. Verlangt wird
jedoch eine stärkere Zielgerichtetheit mit gesetzlicher Neuregelung und
einer neuen Kontrollinstanz. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, den
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung für die Betroffenen
der BND-Überwachungsmaßnahmen zu verbessern.

„Entscheidend wird sein, mit welchen Mitteln und Rechten diese neue
Kontrollinstanz ausgestattet wird. Daran wird sich bemessen, ob sie den
Geheimdienst wirksam kontrollieren kann“, sagte Frank Rieger, einer der
Sprecher des Chaos Computer Clubs. „Das Gericht hat die Praxis der
Massenüberwachung an sich nicht beendet, es hat aber eine bessere
Kontrolle vorgeschrieben.“

Das Verfassungsgericht hat durch das Urteil dem seit den
Snowden-Enthüllungen offensichtlichen Graubereich des internationalen
Ringtausches von Geheimdienst-Abhördaten Beschränkungen auferlegt.
Insbesondere die bisherige Praxis des unkontrollierten Datentauschs zur
Umgehung von Abhör-Beschränkungen ist dann nicht mehr möglich. Das
Schattenreich der bilateralen Geheimdienst-Abkommen soll nun – soweit es
den BND betrifft – einer Kontrolle und Nachvollziehbarkeit unterworfen
werden.

„Leider hat sich das Gericht nicht dazu durchringen können, die globale
Überwachungspraxis des BND grundsätzlich zu beenden. Es versucht nur,
sie in einen konkreteren rechtlichen Rahmen zu pressen“, fasste Frank
Rieger zusammen. „Dass Grundrechte prinzipiell für alle Menschen
weltweit gelten, ist eine wichtige Entscheidung. Leider wird sie im
Urteil durch diverse mögliche Gründe für Grundrechtseinschränkungen
deutlich relativiert.“

Noch vor dem Ende des BND-NSA-Untersuchungsauschusses wurde das
BND-Gesetz 2017 reformiert. Im Wesentlichen wurde dabei die
rechtswidrige Praxis des Auslandsgeheimdiensts ins Gesetz gegossen. Eine
längst überfällige wirksame Geheimdienstkontrolle wurde nicht
vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit diesem Urteil zum wiederholten Male
ein Überwachungsgesetz als verfassungswidrig eingestuft. Dass die
Politik weit entfernt davon ist, schon im Gesetzgebungsverfahren
grundgesetzkonforme Regelungen zu finden, ist und bleibt ein Skandal.
Der Gesetzgeber muss nach diesem Urteil endlich reflektieren, wie er
sich zu den Grundrechten stellt und ob er sich weiterhin so grobe
Schnitzer wie den Verstoß gegen das Zitiergebot leisten will. Abstruse
Konstrukte wie die „Funktionsträgertheorie“ oder die „Weltraumtheorie“
wurden vom Bundesverfassungsgericht mit diesem Urteil komplett
abgeräumt.

Der Chaos Computer Club war im Rahmen des Verfahrens als
Sachverständiger für das Bundesverfassungsgericht tätig und hat dazu
eine Stellungnahme verfasst. \[3\] \[4\]

## Links:

-   \[1\] [Bundesverfassungsgericht: Meldung vom 19. Mai
    2020](https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-037.html)
-   \[2\] [Hintergrund zur Beschwerde bei „Reporter ohne
    Grenzen“](https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/verfassungsbeschwerde-gegen-das-bnd-gesetz/)
-   \[3\] [Meldung zur Stellungnahme des
    CCC](/de/updates/2020/bnd-gesetz-bverfg)
-   \[4\] [Stellungnahme des Chaos Computer Clubs zur Beschwerde beim
    BVerfG zur
    Auslands-Auslands-Überwachung](/system/uploads/290/original/BNDgesetz_CCC-Stellungnahme.pdf)