summaryrefslogtreecommitdiff
path: root/updates/2020/gesichtserkennungstoppen.md
blob: e95500f1725e86d5ed6a40bf940f04cc0f9b47ce (plain)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
title: Aktuelle Pläne des Innenministeriums müssen gestoppt werden – Bündnis fordert Verbot automatisierter Gesichtserkennung
date: 2020-01-09 07:53:40 
updated: 2020-01-09 07:53:40 
author: evelyn
tags: update, pressemitteilung

Ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wendet sich gegen den Vorstoß des Innenministeriums, an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen automatisierte Gesichtserkennung einsetzen zu wollen. Stattdessen fordert das Bündnis „Gesichtserkennung stoppen“ ein Verbot dieser hochproblematischen Technologie in Deutschland.

<!-- TEASER_END -->

Auch wenn eine Verbesserung der Sicherheit etwa an Bahnhöfen
grundsätzlich sinnvoll erscheint, ist automatisierte Gesichtserkennung
als Mittel dafür nicht nur ungeeignet, sondern hat immense negative
Folgen für Millionen Passanten und Reisende. Automatisierte
Gesichtserkennung bedeutet eine permanente heimliche Personenüberwachung
in öffentlichen Räumen wie Bahnhöfen oder Flughäfen. Die Körperdaten
aller Vorbeilaufenden werden dabei erfasst und automatisiert mit
Datenbanken abgeglichen, ohne dass die Betroffenen dies bemerken müssen.
Damit greift die automatisierte Gesichtserkennung tief in die Rechte und
Freiheiten von Menschen ein, wenn biometrische Körperdaten quasi im
Vorbeigehen und anlasslos analysiert werden.

„Automatische Gesichtserkennung ist eine Hochrisikotechnologie“, erklärt
Viktor Schlüter von der Organisation Digitale Freiheit: „Hohe
Falscherkennungsraten, die Diskriminierung von Frauen und People of
Color und das enorme Missbrauchspotential stellen eine Gefahr für die
Demokratie dar.“

„Dieses unnötige und invasive Biometriesystem ist nur ein weiterer
Baustein, den maschinenlesbaren Menschen zu schaffen. Allein durch das
zufällige Vorbeilaufen legen wir mit unseren Körperdaten eine digitale
Spur, die uns alle auch wegen der Unzuverlässigkeit der eingesetzten
Algorithmen in unseren Rechten und Freiheiten einschränkt“, sagte Dirk
Engling, Sprecher des Chaos Computer Clubs.

„Die optische Vermessung von Gesichtern droht eine weitere Form der
anlasslosen Überwachung zu werden, nur diesmal mit detaillierten
Körperdaten“, fügt Rainer Rehak vom Forum InformatikerInnen für Frieden
und gesellschaftliche Verantwortung hinzu. „Wir müssen uns jetzt diesen
gefährlichen Plänen in den Weg stellen, bevor immer mehr öffentliche
Räume mit biometrischen Erkennungssystemen bestückt werden, die zudem
nicht einmal mehr Sicherheit bringen.“

„Der Einsatz dieser Technologie zur Überwachung des öffentlichen Raumes
schränkt auch politische Teilhabe ein: Wer fürchten muss, automatisch
erfasst zu werden, wird im Zweifel eher nicht an einer Demonstration
teilnehmen“, gibt Elisabeth Niekrenz von der Digitalen Gesellschaft zu
bedenken.

Im Lichte stetig sinkender Kriminalitätsraten in Deutschland besteht
nicht nur keinerlei Notwendigkeit für neue, teure und ineffiziente
Überwachungsmaßnahmen zur anlasslosen Erfassung von Körperdaten von
Reisenden, sondern ist es Zeit, ein Verbot dieser gesellschaftlich
schädlichen Technologie in die Wege zu leiten. Ein Verbot
automatisierter Gesichtserkennung in Deutschland hat bereits Vorbilder:
Mehrere US-amerikanische Großstädte haben den Einsatz der Technologie
durch staatliche Stellen im öffentlichen Raum aufgrund der damit
verbundenen Gefahren verboten. Der Stadtrat von San Francisco etwa
bezeichnete automatisierte Gesichtserkennung als „gefährliche Waffe“
sowie als inkompatibel mit einer gesunden Demokratie und verbot ihren
Einsatz. \[3\]

Dass die teure Technik überhaupt einsatzreif ist und den erhofften Zweck
erfüllt, ist zudem zweifelhaft: In einem Gesichtserkennungstest von
Innenministerium und Bundespolizei im Jahr 2018 in Berlin war die
Falscherkennungsrate so hoch, dass mehr als jede 200. Person
fälschlicherweise erkannt wurde. Dies würde allein am getesteten
Berliner Bahnhof Südkreuz zu täglich 600 Fehlalarmen führen. Der Chaos
Computer Club \[1\] und das Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung \[2\] kritisierten die
unwissenschaftliche Vorgehensweise und Auswertung der Tests sowie die
deutlich geschönten Testergebnisse.

Das Bündnis „Gesichtserkennung stoppen“ besteht aus den
zivilgesellschaftlichen Organisationen Digitale Freiheit, Chaos Computer
Club, Digitale Gesellschaft, Forum InformatikerInnen für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung sowie Digitalcourage.

Der Chaos Computer Club fordert die detaillierte Veröffentlichung der
Ergebnisse der vergangenen und laufenden Biometrie-Tests an Bahnhöfen,
um eine ernsthafte Bewertung der Ergebnisse und eine öffentliche
Diskussion über die Erkennungssysteme zu ermöglichen.

**Links**:

\[0\] <https://www.gesichtserkennung-stoppen.de/>

\[1\] Biometrische Videoüberwachung: Der Südkreuz-Versuch war kein
Erfolg,
[https://www.ccc.de/de/updates/2018/debakel-am-suedkreuz](/de/updates/2018/debakel-am-suedkreuz)

\[2\] Verfälschte Studie zur Tauglichkeit grundrechtswidriger Techniken,
<https://www.fiff.de/verfaelschte-studie-zur-tauglichkeit-grundrechtswidriger-techniken>

\[3\]
<https://www.npr.org/2019/05/14/723193785/san-francisco-considers-ban-on-governments-use-of-facial-recognition-technology>