Ergebnisse für Sie maßgeschneidert

Im Rahmen des Symposiums "Nähe auf Distanz" des Fachbereichs Kultur an der Uni Hamburg werde ich am 14. Juni zur Wirkmacht politischer Bilder im Internet einen Vortrag mit dem Titel "Ergebnisse für Sie maßgeschneidert" halten. Abstract und Konklusio gibt es hier.

Abstract

Die schiere Masse von Informationen, die inzwischen an allen Enden der Welt verteilt ist und für uns mit einem Klick auffindbar wäre, ist lediglich von unserem kulturellen Verständnisvermögen begrenzt. Um uns nur “relevante” Ergebnisse auf der Suche nach Nachrichten, Bildern, Videos und Webseiten auf den Rechner zu holen, benutzen wir vertraute Portale und Suchindexe, die ein Modell von genau unserem kulturellen Wohlfühlhorizont haben und deren Serviervorschläge unseren major consensus narrative nicht verletzen. Diese Filterdienste unterliegen jedoch eigenen marktwirtschaftlichen, politischen und juristischen Sachzwängen, die nicht immer im Sinne des Informationssuchenden sind.

Für einen Zugang zu unvertrauten kulturellen Textquellen und zum Einordnen der Informationen benötigen wir einen kontextgebenden Vermittler – allein schon bei der Übersetzung. Klassisch übernahmen Korrespondenten institutionalisierter Nachrichtenformate diese Aufgabe und traten dabei auch mitsamt ihrer Reputation in den Vordergrund.

Seit der ubiquitären weltweiten Durchdringung mit erschwinglichen Kameras ist das Bild als authentisches Medium ins Zentrum der Wahrnehmung anderer Regionen getreten. Längst haben sich Gruppen wie Anonymous und ISIS durch die gegenseitige Allverfügbarkeit von Informationen über unsere Bildersprache, Hollywoodfilmen und Nachrichtennetzwerken an unsere Medienkonsumgewohnheiten angepasst. Sie kennen und bedienen die narrativen Rituale, mit denen wir zu erreichen sind und benutzen das Modell, ihre Botschaften zu vermitteln. Die technischen Mittel stehen selbst Laien zur Verfügung.

Das Korrektiv dieses Vermittlers – dessen Auswahl zuletzt ohnehin schon aus Bildungs-, Kaufkraft- und Technologieaffinitätsgründen nicht unbefangen geschah – tritt durch den Schritt hinter die Kamera zurück und wird durch die Neutralität suggerierende Kraft des Bilds zum potentiellen Manipulator. Doch selbst ohne bewusste Beeinflussung des Bildinhalts durch den Mittler repräsentiert in Zeiten automatischer Bildoptimierung, -selektion und -rekomposition keine digitale Fotografie mehr die Realität. Bilder erreichen uns direkter und erlauben, uns emotional zu vereinnahmen und deren Konsum wiederum beeinflusst unsere Wahrnehmung von der Welt und im Zirkelschluss das Modell, das unsere selbstgewählten Filter von uns haben.

Konklusio

Die Transparenz erzeugende Kraft des Internets hat eine Krise der Institutionen verursacht, die auch die tradierten Rituale der Nachrichtenvermittlung erfasst hat. Doch ohne ein Reputationssystem bleibt die Kontextualisierung, Übersetzung und Plausibilitätsprüfung von Datenfetzen an jedem Einzelnen hängen.

Bilder im Internet suggerieren dabei momentan noch notorisch Neutralität und Authentizität, treffen direkt emotionale Nerven und machen uns anfällig, auf Manipulationen hereinzufallen. Meine Hoffnung ist, dass sich nach einem Sortierungsprozess neue Arten von Reputationsdelegation herauskristallisieren.