Seit September bin ich e-mobil. Ich bin mein ganzes Führerschein tragendes Leben lang auf Mopeds durch Berlin geheizt, beginnend bei einer Schwalbe, seitdem immer mit lauten und müffelnden Zweitaktern – bei entsprechendem Verschleiß. Ich wollte vermeiden, mehrere Tonnen Stahl durch die Gegend zu hieven, wenn ich doch nur meinen Hintern von A nach B bewegen wollte, und habe daher trotz mehrerer Autos auch immer noch als primäres Fortbewegungsmittel ein Moped beibehalten. Trotzdem ist der wohlige Geruch von Zweitaktabgasen, der harmonische und weit wahrnehmbare Klang nicht unbedingt das Omen, das man seiner Ankunft voraussenden möchte – und die Wartungsanfälligkeit dieses fragilen Haufens beweglicher Teile ließ mich schon vor einer Weile die Fühler in Richtung Elektroroller ausstrecken.
Zwar gab der Markt seit sechs, sieben Jahren auch welche her – allerdings schreckten die Preise im Bereich einer Kleinwagenneuanschaffung ab und meine guten Vorsätze verschwanden schnell wieder in der Schublade. Und die frühen Reichweiten-Angebote von so 25 bis 30 Kilometern haben nichts mit den Strecken zu tun, die ich an einem terminlich gut befüllten Tag in Berlin so in die Reifen schrubbe. Mein Reichweiten-Maßstab ist die Sommerresidenz von Freunden nahe Berlin, für die ich rund 80 Kilometer runterreißen muss – jaja, kein Spaß auf einem geschwindigkeitsbegrenzten Kraftfahrzeug, und auch auf meinen Verbrennern hatte ich unterwegs schon eine Stammtankstelle auserkoren. Aber zumindest kann ich mal eben ranfahren, "Kaffee" kaufen und weiterfahren. "Mal eben" Akkus aufladen kannste hingegen knicken.
Schon vor ein paar Jahren startete die Firma Gogoro in Taipei einen Dienst, bei dem man sich um das Laden nicht mehr kümmern muss, sondern die Akkus an Straßenecken im Späti leer gegen voll tauschen kann. Die sind nun als Mietmobile nach Berlin expandiert , jedoch finde ich die weder gutaussehend noch gutklingend. Aber hohe Absatzzahlen ziehen ja auch immer sinkende Preise nach sich und richtig:
In den letzten Jahren hat sich da so richtig was getan: Die Preise für Elektromotoren und Batterien sind gepurzelt – nicht zuletzt durch die krassen E-Mobilisierungsprogramme in China und Indien , Ladezeiten und Energiedichten kommen in erträgliche Größenordnungen und ein Berliner Unternehmen bietet Hipster-geeignete Scooter zum Kampfpreis an. In der Rechts-Unten-Vollausstattung mit zwei Akkus ist man schon mit 3,5 k€ dabei – das ist nur marginal mehr, als ich in meine alten Benziner investiert habe. Und das liegt vor allem daran, dass an so einem E-Roller nix mehr dran ist:
Nabenmotor im Hinterrad nebst Motorsteuerung, einigermaßen stabiler leichtgewichtiger Rahmen, quasi ein besseres Fahrrad, Akkufach und Sattel. Also habe ich zugeschlagen und fahre seit September quasi durchgängig E-Roller im Berufsverkehr. Und ja, es rockt: Kaum bewegliche Teile, so ein Elektromotor ist im Vergleich zu einem Verbrenner trivial und hält gern mal zig Jahre. Gut, bisschen Bremskram, Tacho und Verkleidung, aber im Prinzip war's das. Und als mir das Akkufach wegen eines unglücklichen Steinschlags an einer Ecke rausgebrochen ist, gab's vom Hersteller ein Paket mit einem tiefgezogenen Plasteteil, das ich mit einem Schraubendreher in 10 Minuten selber tauschen konnte. Ich kann im Prinzip für die nächsten zwanzig Jahre mit dem Gerät fahren, ohne nennenswerte Wartungskosten zu haben.
Und dann der Verbrauch: Aufladen geht mit 220 V, Netzteil ist bei und lädt in rund vier Stunden voll. Die Hersteller-Angaben von "70 % aufgeladen in einer Stunde" sind doch ein bisschen optimistisch, aber eine komplette Ladung bekomme ich zuhause für rund 30 Cent. Da ich nicht erst tanke, wenn die Akkus leer sind, ist der genaue Preis schwer zu schätzen, aber meine monatlichen Ausgaben für's Tanken sind von 60 Euro auf 6 Euro gesunken. Und das noch in den ersten Monaten, wo mich der Fahrspaß das Moped noch deutlich häufiger benutzen lässt. Und Fahrspaß it is!
Das Moped, was ich mir ausgesucht habe, ist im Vergleich zu den Leihrollern von eMio und Coup rund 20 % kleiner und deutlich leichter – und jedes am Roller gesparte Kilo muss ich nicht abnehmen, um an der Ampel schneller wegzukommen. Entsprechend saust es sich an der Kreuzung auch los. Danach gleitet man quasi durch den Straßenverkehr und viel toller: durch Parks und über Fahrradwege und Bürgersteige, ohne negativ aufzufallen. Um das Moped am Café abzustellen, bin ich auch schon durch die Stuhlreihen auf dem Gehweh gerollt und niemand hat auch nur geguckt – mit dem 2-Takter undenkbar. Und wenn man einen Sozius an Board hat , ist sogar ein entspanntes Gespräch möglich.
Tzschja, und der Pferdefuß? Die Reichweiten-Experimente sind nicht vollständig geglückt: Vollständig leer kann (und sollte man) das Akku nicht realistisch fahren, da auf den letzten 15 % Ladestand ein bequemes Fußgängertempo rauskommt . Und auch dann landet man nicht bei den 50 Kilometern Distanz, sondern eher so bei 45, von denen man nur die ersten 40 vorankommt. Selbst mit den beiden Akkus sind die 80 Kilometer zur Datsche des Kumpels also nicht (oder nur ohne Bremsen und mit viel Bangen) ohne Zwischenstopp zu erreichen. Das heißt, dass ich mir jetzt ein Restaurant suchen muss, wo ich auf dem Weg kurz zum Schnitzel Essen anhalten und währenddessen zwei Akkus kurz-betanken muss. Hmm.
Auch ansonsten ist die Kapazität noch nicht da, wo man überhaupt nicht mehr drüber nachdenken muss: Die Akkus selber wiegen so acht Kilogramm und kommen mit Henkel: Mit Erdgeschoss-Büro ist das Tauschen schon in die tägliche Routine übergegangen, weil der Motorcontroller auf den ersten 25 % Akku noch einmal spürbar schneller anzieht und daher ein volles Akku spaßsteigernd ist. Allerdings ist es nicht so, dass ich ernstlich leide, wenn ich mal zwei Tage das Tauschen vergessen habe, also kein nervöses Hetzen wie beim Smartphone. Was die Kapazität angeht, bin ich verdammt nah am Wohlfühlbereich dran, und wenn von den wöchentlichen Presseberichten über eine Verdopplung und Verdreifachung der Energiedichte in Akkus im Labor auch nur eins die Serienreife erreicht, erreiche ich die Auftank-Frequenz des Benziners.
Da ich auch stolzer Winterfahrer bin, habe ich ein paar Erfahrungen mit den Akkus in der Kälte gemacht. Grundsätzlich gilt: Akkus nicht nachts draußen parken. Und wenn man sie tagsüber ein paar Stunden in der Kälte lässt, zieht das Moped nochmal deutlich schlechter an und man verliert bei Frost rund 10 % Reichweite. Kein Showstopper, aber sollte man beachten.
Das einzige, was mich beim Unu ein bisschen ankekst, ist die Helmsituation. Das Akkufach ist riesig, und wenn man nur einen Akku mitnimmt, hat man echt viel Stauraum für einen mittleren Einkauf. Jedoch ist das Akku quaderförmig hoch (es passen also zwei nebeneinander), was keinen Platz mehr für einen normalen Helm lässt. Sinnigerweise passt der Helm prima rein, wenn kein Akku drin ist: Aber ganz ehrlich schleppe ich lieber Helm statt Akku mit.
Nun kann ich also mit gutem Beispiel voran Energie sparend durch die Stadt heizen und meine Gesamtökobilanz wieder massieren. Beim Recherchieren bin ich noch auf das offensichtlich weit verbreitete Vorurteil gestoßen, Elektro-Mobile würden ja viel dreckiger betrieben werden, als Benziner, da der Strom aus Kohlekraftwerken käme. Gilt für mich zwar nicht, aber noch krasser ist, dass die meisten Raffinerien Benzin mittels Kohlestrom herstellen , der die Bilanz pro Kilometer sofort wieder Richtung Elektro-Mobil korrigiert. Und Meldungen wie die hier machen mir Mut, wirklich Sonnenkraft unterm Hintern zu spüren – Proctoheliose FTW!
Fußnoten: