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1title: Nichtregierungsorganisationen mahnen zur Wahrung freiheitlicher Werte
2date: 2015-01-12 11:27:00
3updated: 2015-01-12 11:28:57
4author: atoth
5tags:
6
7Gemeinsame Erklärung des Chaos Computer Clubs, der Humanistischen Union, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins und des Digitale Gesellschaft e.V.
8
9<!-- TEASER_END -->
10
11Am 7. Januar 2015 ereignete sich in Paris ein Mordanschlag auf mehrere
12Mitarbeiter des Satire-Magazins “Charlie Hebdo”. Unsere Gedanken sind
13bei den Opfern, ihren Familien und Freunden. Wir verurteilen diesen
14mehrfachen Mord als unerträglich und werten ihn als Anschlag auf die
15Pressefreiheit, auf die Freiheit der Gedanken und die Freiheit der
16Ausdrucksformen von Gesellschaftskritik.\
17\
18Die Reaktion auf eine solche Tat stellt eine demokratische Gesellschaft
19auf eine harte Probe. Emotionale Reaktionen auf einen solchen Schrecken
20sind vor allem eines: menschlich. Doch Emotionen dürfen nicht die
21Debatte und Politik bestimmen. Wer jetzt versucht, den Schock des
22Mordanschlags politisch auszunutzen und “Anti-Terror-Gesetze” aus der
23Schublade zu holen, kann vielleicht auf medialen und gesellschaftlichen
24Zuspruch hoffen.\
25\
26Doch es ist der falsche Weg mit Gesetzen zu reagieren, die mehr
27“Sicherheit” vorgaukeln, aber letztlich nur die Freiheit an sich
28einschränken werden. Niemandem darf signalisiert werden, dass man mit
29Mordanschlägen Freiheitsrechte wegschießen könne. Ohnehin gäbe es keine
30sinnvolle gesetzliche Reaktion auf die Morde, die das Leben der Opfer
31hätte retten können. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frankreich zu den
32europäischen Ländern mit den schärfsten Sicherheitsgesetzen zählt, schon
332006 Vorratsdatenspeicherung, Überwachung von Fluggastdaten und
34flächendeckende Videoüberwachung einführte und diese Maßnahmen trotzdem
35nicht zur Verhinderung der Tat führten. Wer angesichts dessen nun
36gleichwohl die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung fordert,
37instrumentalisiert die Opfer dieses abscheulichen Verbrechens für seine
38Zwecke und trägt zur Irreführung der Öffentlichkeit bei.\
39\
40Den in solchen Situationen gern wiederholten Forderungskatalog der
41Polizeien, der Geheimdienste, ihrer kommerziellen Helfer und ihrer
42politischen Vertreterinnen und Vertreter nach weitreichenden
43Menschenrechtseinschränkungen zeichnet vor allem eines aus: unbewiesene
44oder gar nachweislich falsche Behauptungen über seine angebliche
45Wirksamkeit gegen terroristische Anschläge. Im direkten Angesicht des
46Verbrechens rational zu reagieren, kann nur bedeuten, unmenschlichen
47Taten Besonnenheit und Gelassenheit entgegenzusetzen. Es muß gelingen,
48zu einer evidenzbasierten, menschenrechtsorientierten Sicherheitspolitik
49zurückzukehren, die Prävention, Wirksamkeit, Angemessenheit,
50Verhältnismäßigkeit und rechtsstaatliche Prinzipien ins Zentrum der
51Diskussion stellt.\
52\
53Auch in Anbetracht von Anschlägen dürfen die Grundfesten der Demokratie
54niemals aufgegeben werden: Menschen- und Freiheitsrechte sind der Kern
55und das Wesen demokratischer Gesellschaften. Wer sie in Folge solcher
56Mordanschläge einschränkt, abbaut oder in ihr Gegenteil verkehrt, hilft
57indirekt denjenigen, die Anschläge verüben. Jede Reaktion, die
58Grundrechte und Freiheiten abbaut, ist eine Aufwertung des Terrors und
59der Folgen, die er mit sich bringt.\
60\
61Wir haben großen Respekt vor den Worten des damaligen norwegischen
62Ministerpräsidenten Stoltenberg, der nach dem Anschlag von Oslo und den
63Morden von Utøya sagte: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere
64Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr
65Offenheit, mehr Menschlichkeit.”